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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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einfügen ließen. Im Augenblick war er zu dicht an allem dran. Dadurch sah er zwar einzelne Bäume wunderbar deutlich, aber der Wald als Ganzes ließ sich so nicht erkennen. Was er brauchte, war ein bißchen Abstand.
    Er holte sich einen Kaffee aus der Kantine und setzte sich an seinen Schreibtisch. Lewis hatte ihm – unter einem Briefbeschwerer und nicht zu übersehen – auf mehreren Zetteln die Ergebnisse seines Herumtelefonierens dagelassen, doch er schob sie beiseite. Es gab schließlich noch ein paar andere Dinge als den Fall Taylor, obwohl er die im Augenblick kaum hätte beim Namen nennen können. Er leerte seinen Posteingangskorb und überflog Berichte über neue Brandanschläge, polizeiliche Aufgaben bei Popfestivals sowie die brutalen Ausschreitungen von Fußballfans im Anschluß an Oxford Uniteds letztes Heimspiel. Manches davon war vermutlich ganz interessant. Morse hakte auf der Umlaufliste seine Initialen ab und steckte die Berichte zur Weitergabe in einen anderen Korb. Der nächste auf der Liste würde dasselbe tun: schnell durchblättern, einen Haken an die Initialen und dann weg damit. Es gab eben zu viele Berichte, und je mehr eintrafen, um so aussichtsloser wurde es, sie wirklich zu lesen. Wenn es nach ihm ginge, so würde ab sofort für die nächsten fünf Jahre ein Stop verfügt.
    Er warf einen Blick in seinen Kalender. Morgen hatte er einen Termin bei Gericht. Da mußte er sich heute abend noch ein frisches Hemd bügeln. Er sah auf die Uhr und merkte auf einmal, daß er hungrig war. Schon kurz vor halb sieben. Also Schluß jetzt. Auf dem Heimweg kam er immer an einem China-Restaurant vorbei, das Mahlzeiten zum Mitnehmen anbot … Während er sich den Mantel anzog, überlegte er, ob er lieber Hummerkrabben oder Chicken Chop Suey nehmen sollte. Er war gerade an der Tür, da klingelte das Telefon.
    »Ein Mr. Phillipson für Sie. Soll ich den Anruf durchstellen?« Die Stimme der Telefonistin klang müde.
    »Sie machen heute Überstunden, Inspector?« fragte Phillipson.
    »Ich war gerade dabei zu gehen«, sagte Morse halb gähnend.
    »Haben Sie es gut«, entgegnete Phillipson, »wir haben heute Elternabend – ich bin bestimmt nicht vor zehn zu Hause.«
    Morse hatte zu oft die Nächte durchgearbeitet, als daß ihn das hätte beeindrucken können. Phillipson kam auf den Grund seines Anrufs zu sprechen.
    »Ich wollte Ihnen wegen Blackwell Bescheid sagen – Sie erinnern sich? Ich habe nachgefragt, ob ich vor zwei Jahren am 10. Juni etwas bei ihnen gekauft habe, und sie haben mir bestätigt …«
    Morse hatte, während er zuhörte, Lewis’ Notizen unter dem Briefbeschwerer hervorgezogen und vervollständigte den Satz: »… daß Sie Momiglianos Historiographische Studien gekauft haben. Erschienen bei Weidenfeld & Nicho l son. Preis: £ 2.50.«
    »Sie haben sich also erkundigt?«
    »Ja.«
    »Na, egal, ich dachte bloß, äh … ich wollte Ihnen das bloß sagen.«
    »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen; ich weiß das zu schätzen, Sir. Sprechen Sie jetzt von der Schule aus?«
    »Ja, ich bin in meinem Büro.«
    »Haben Sie zufällig irgendwo die Nummer von Mr. Acum?«
    »Einen Moment, ich werde mal nachsehen.«
    Morse klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr und ging Lewis’ übrige Notizen durch. Ein Anruf bei Peters hatte nichts erbracht, dieser war, was den zweiten Brief anging, noch zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt; auch andere Nachfragen waren mehr oder weniger ergebnislos geblieben …
    Man mußte schon ein sehr feines Gehör haben, um das leise Knacken überhaupt zu vernehmen. Aber Morse war es nicht entgangen. Da hatte also wieder jemand versucht zu lauschen. In Morses Kopf begann es zu arbeiten. Dieser jemand mußte vom Apparat im Vorzimmer aus mitgehört haben …
    »Sind Sie noch da, Inspector? Ich habe zwei Nummern von Acum – die von seiner Schule und seine Privatnummer.«
    »Geben Sie mir beide«, sagte Morse.
    Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, dachte er weiter nach. Wenn Phillipson telefonieren wollte, dann wählte er eine 9, um eine Amtsleitung zu bekommen, und anschließend die von ihm gewünschte Nummer. Wenn jemand aber Phillipson anrufen wollte, ging das nur über das Vorzimmer. Würde er jetzt also seine Nummer wählen, dann würde abheben, wer sich gerade im Vorzimmer aufhielt … Und das würde wohl kaum Mrs. Webb sein. Bei einem Elternabend wurden ihre Dienste sicher nicht benötigt.
    Morse wartete ein paar Minuten und rief dann an. Schon nach dem

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