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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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schlimmsten Wunden ein und bestreuten weniger schlimme Wunden mit gelbem Pulver. Kunta verachtete sich dafür, daß er so schwach war, wie die anderen über seine Schmerzen zu stöhnen.
    Durch das vergitterte Fenster zählte er schließlich sechs Tage und fünf Nächte. Während der ersten vier Nächte hörte er gedämpft, noch nahebei die Frauen wehklagen, die auf dem Kahn gewesen waren. Er empfand es als Demütigung, still dasitzen zu müssen und den Frauen nicht helfen zu können. Doch die Männer konnten sich selber nicht helfen. In der fünften Nacht hörten sie die Klagen der Frauen nicht mehr, und das war fast noch schlimmer. Welch neues Mißgeschick hatte sie ereilt?
    Fast täglich wurden fremde Schwarze in toubob- Kleidung zu ihnen hineingestoßen und angekettet. Schlaff gegen die Wand lehnend oder auf dem Boden zusammengesunken, den Leib von frischen Striemen überzogen, schienen sie nicht zu wissen, wo sie waren, noch sich darum zu kümmern, was als nächstes mit ihnen geschah. Meist kam noch am gleichen Tag ein herrischer toubob herein mit einem Tuch vor der Nase, und bei dessen Anblick stieß dann der Neuankömmling ein Schreckensgeheul aus, das der toubob mit Tritten und Gebrüll erwiderte. Dann führte er diesen Schwarzen hinaus.
    Wenn Kunta merkte, daß er sein Essen bei sich behalten konnte, versuchte er, nicht mehr zu denken, sondern zu schlafen. Auch wenige Minuten Schlaf waren eine Wohltat, denn sie erlösten ihn von diesem nicht enden wollenden Grauen, das Allah über ihn verhängt hatte, er wußte nicht warum. Wenn Kunta nicht schlafen konnte, bemühte er sich, wenigstens nicht an Juffure und die Seinen zu denken, denn dabei kamen ihm unweigerlich die Tränen.

Kapitel 41
    Am siebten Morgen brachten zwei toubobs den Gefangenen Kleider. Einer nach dem anderen wurde losgekettet, und man zeigte ihnen, wie sie die Kleider anzulegen hatten. Ein Stück bedeckte Hüften und Beine, ein anderes den Oberkörper. Als Kunta die Sachen anzog, fingen seine Wunden, die zu heilen begonnen hatten, gleich an zu jucken.
    Draußen hörte man jetzt viele Stimmen – offenbar versammelten sich die toubobs vor dem Hause. Kunta und seine Gefährten saßen vor Angst wie erstarrt in ihren neuen Kleidern da.
    Die beiden toubobs machten nun rasch drei der fünf Schwarzen los, die schon vorher dagewesen waren, und führten sie hinaus. Diese drei ließen es geschehen, als wäre ihnen das schon oft widerfahren und machte ihnen nichts mehr aus. Die toubobs. draußen hörten auf zu schreien, und einer von ihnen rief etwas, was Kunta allerdings nicht verstehen konnte: »Gesund und munter wie ein Fisch im Wasser! Hat viel Mumm in den Knochen!« In kurzen Abständen riefen andere toubobs etwas dazwischen: »Dreihundertfünfzig!«
    »Vierhundert!« – »Fünf!« Darauf der erste toubob wieder: »Wer bietet sechs? Seht ihn euch an! Stark wie ein Maultier!«
    Kunta erschauerte, er rang nach Luft und schwitzte.
    Als nun vier toubobs hereinkamen, fühlte sich Kunta wie gelähmt. Zwei blieben an der Tür stehen, in der einen Hand einen schweren Knüppel, in der anderen einen kurzen Eisenstock, zwei schlossen die eisernen Schellen auf. Wer schrie oder um sich schlug, wurde mit einem kurzen dicken Lederriemen geprügelt. Kunta knurrte unwillkürlich vor Zorn, als sie ihn anfaßten, und erhielt prompt einen Schlag, daß er glaubte, der Kopf müsse ihm platzen; er spürte kaum, daß an seiner Kette gerissen wurde. Als erster von sechs angeketteten Männern taumelte er ans Tageslicht.
    »Frisch aus dem Urwald!« Der Ausrufer stand auf einem niedrigen Podest, umringt von unzähligen, gaffenden toubobs , deren Geruch Kunta unangenehm in die Nase stieg. Er erspähte einige Schwarze in der Menge, doch ihre Gesichter wirkten ausdruckslos. Sie hielten die Schwarzen an der Kette, die zuvor hinausgeführt worden waren. Der Ausrufer musterte Kunta und seine Gefährten von Kopf bis Fuß und stieß ihnen dabei den Griff seiner Peitsche in den Bauch. Dazu rief er: »Schlau wie die Affen! Können zu allem abgerichtet werden!« Dann wollte er Kunta zu seinem Podest stoßen, doch Kunta konnte sich nicht rühren. Er stand zitternd da, von allen Sinnen im Stich gelassen. Der Peitschenstiel traf sein wundes Gesäß, und er taumelte vorwärts, fast besinnungslos vor Schmerzen. Der toubob befestigte das freie Ende seiner Kette an einem eisernen Ring.
    »Erste Wahl – jung und geschmeidig!« rief der toubob. Kunta war vor Entsetzen so betäubt, daß er kaum

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