Wurzeln
Wasser gefüllt war und der andere eine fremd aussehende, auch fremd riechende Nahrung enthielt. Trotzdem lief ihm das Wasser im Mund zusammen, doch er machte nicht die geringste Bewegung. Die Schwarzen, die ihm zusahen, lachten.
Der Kutscher hielt die Flamme hoch und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Kette, wohl um Kunta zu zeigen, daß sie nicht reißen würde. Dann wies er mit dem Fuß auf das Wasser und das Essen und knurrte drohend. Danach gingen alle vier lachend davon.
Kunta sah ihnen nach. Irgendwann würden sie wohl schlafen gehen, und er sah sich bereits mit aller Kraft an der Kette zerren, bis sie zerriß und er fliehen konnte … In diesem Augenblick roch er einen Hund und hörte ihn neugierig schnüffelnd näher kommen. Vielleicht meinte wenigstens der Hund es nicht böse mit ihm! Doch schon hörte er ihn schlappen, hörte ihn den Napf beschnüffeln, und obwohl er selber nicht daraus gegessen hätte, sprang Kunta wütend auf und fauchte wie ein Leopard. Der Hund machte einen Satz und begann aus kurzer Entfernung zu bellen. Sogleich quietschte eine Tür auf, und jemand kam mit einer Flamme gerannt. Es war der Kutscher, und Kunta sah haßerfüllt zu, wie er die Festigkeit der Kette prüfte. In dem trübgelben Licht sah er, wie der Kutscher beim Anblick des leeren Eßnapfes das Gesicht befriedigt verzog. Brummend ging er in seine Hütte zurück, und Kunta blieb allein im Dunkeln. Er wünschte, er hätte den Hund erwürgen können.
Nach einer Weile tastete er nach dem Napf mit dem Wasser und trank ein wenig davon, fühlte sich danach aber nicht wohler, sondern so, als wiche alle Kraft aus seinem Körper, als wäre er nur noch eine leere Hülse. Den Plan, die Kette abzureißen, gab er vorderhand auf, und es kam ihm dabei vor, als hätte Allah sich von ihm abgewandt – aber warum? Was hatte er denn so Schreckliches getan? Im Geist ließ er alles an sich vorüberziehen, was er je richtig oder falsch gemacht hatte, bis zu dem Morgen, da er einen Baum fällen wollte, um eine Trommel zu machen, und zu spät einen Zweig hatte knacken hören. Ihm wollte scheinen, er wäre in seinem Leben jedesmal für eine Achtlosigkeit oder Unaufmerksamkeit bestraft worden.
Kunta lauschte den Grillen, dem Schwirren der Nachtvögel und dem Bellen eines Hundes in der Ferne, und einmal hörte er eine Maus quieken und ihre Knochen zwischen den Zähnen des Tieres knacken, das sie getötet hatte. Ab und zu überkam ihn der Drang wegzulaufen, doch wußte er, daß die Kette, selbst wenn er sie losreißen konnte, durch ihr Klirren sogleich jemanden in den nahe gelegenen Hütten wecken würde.
So lag er, ohne an Schlafen zu denken, bis zur Dämmerung. Obwohl jede Bewegung ihm Schmerzen verursachte, kniete er hin und sprach sein Morgengebet. Als er sich neigte, um mit der Stirn den Boden zu berühren, verlor er das Gleichgewicht und rollte zur Seite. Daß er so schwach geworden war, machte ihn zornig.
Bei Sonnenaufgang trank er den Wassernapf leer. Kaum hatte er den Napf abgesetzt, hörte er die vier Schwarzen kommen. Sie hoben Kunta in den rollenden Kasten und fuhren mit ihm zu dem großen weißen Haus, wo der toubob zustieg. Bevor Kunta sich versah, rollte man schon wieder auf der Hauptstraße in der gleichen Richtung wie tags zuvor.
Anfangs lag Kunta nur da und stierte seine Kette an. Dann musterte er haßerfüllt den Rücken des toubob und den des Schwarzen und wünschte, er könnte beide töten. Erst nach einer Weile machte er sich von neuem klar, daß es galt, einen kühlen Kopf zu behalten. Wenn er überleben wollte, durfte er seine Kraft erst im geeigneten Augenblick einsetzen.
Der Vormittag mochte zur Hälfte verstrichen sein, als Kunta Geräusche wie von Schmiedehämmern hörte. Offenbar wurde in einem Dickicht unweit der Straße gehämmert. Hier war erst kürzlich gerodet worden, und es roch nach Rauch. Tatsächlich stiegen an mehreren Stellen dünne graue Rauchfahnen auf. Ob die toubobs wohl auf diese Art den Boden für die nächste Ernte düngten, wie es in Juffure üblich war?
An der Straße stand nun eine kleine rechteckige Hütte aus Baumstämmen, und ein toubob lehnte sich schwer auf die gekrümmten Griffe eines Gerätes, das von dem Ochsen gezogen wurde und die Erde aufriß. Im Näherkommen sah Kunta noch zwei toubobs. Sie hockten bleich und hager unter einem Baum. Drei ebenfalls magere Schweine und ein paar hungrige Hühner leisteten ihnen Gesellschaft. In der Tür der Hütte stand eine toubob- Frau
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