Wurzeln
Schwarzen noch ihr toubob her, obwohl sie sich hätten berühren können. Die meisten Rücken waren von Striemen gezeichnet, einige noch ganz frisch. Kunta erkannte mit Sicherheit Foulah, Yoruba, Mauretanier, Wolof und Mandinka; bei den anderen, die zu ihrem Unglück toubobs zu Vätern gehabt hatten, war er weniger sicher.
So weit das Auge reichte, dehnten sich Felder. Gleich neben der Straße war Mais geerntet worden, und wie in Juffure waren die Stengel braun und ohne Kolben.
Bald darauf holte der toubob Brot und Fleisch aus einem Sack unter der Sitzbank, schnitt Stücke davon herunter und legte sie auf den Sitz zwischen sich und den Schwarzen, der an den Hut tippte und zu essen begann. Nach einer Weile drehte er sich zu Kunta um, der ihn beobachtete, und hielt ihm ein Stück Brot hin. Kunta roch das Brot, und das Wasser lief ihm im Munde zusammen, doch er wandte den Kopf zur Seite. Der Schwarze zuckte die Achseln und steckte das Brot selbst in den Mund.
Kunta bemühte sich, seinen Hunger zu vergessen. Über die Wand des Kastens hinweg sah er fern auf einem Feld Menschen gebückt bei der Arbeit. Er meinte, es müßten Schwarze sein, sie waren aber zu weit entfernt, als daß er es genau hätte erkennen können. Auch seine Nase sagte ihm nichts.
Bei Sonnenuntergang begegneten sie einem Kasten, der in die entgegengesetzte Richtung rollte und dessen Zugtier von einem toubob gelenkt wurde. Auf dem Kasten saßen schwarze Kinder vom ersten kafo , und hinter dem Kasten trotteten in Ketten sieben erwachsene Schwarze, vier Männer und drei Frauen in zerlumpten Kleidern. Kunta fragte sich, warum sie nicht sangen; dann sah er die tiefe Verzweiflung in ihren Gesichtern, als sie rasch an ihm vorüberzogen. Wohin der toubob sie wohl brachte?
Mit der Dunkelheit kamen kleine, quiekende Fledermäuse, genau wie in Afrika. Kunta hörte den toubob etwas zu dem Schwarzen sagen, und kurz darauf bog der Kasten in einen schmaleren Weg ein. Kunta setzte sich auf und erblickte in der Ferne zwischen Bäumen ein großes weißes Haus. Sein Magen verkrampfte sich. Was in Allahs Namen würde jetzt geschehen? War dies der Ort, wo man ihn fressen würde? Er ließ sich zurücksinken und lag wie leblos da.
Kapitel 42
Als der Kasten sich dem Haus näherte, roch Kunta andere Schwarze und hörte sie auch bald. Er erkannte die Umrisse dreier Gestalten, die sich dem Kasten näherten. Die größte unter ihnen schwang eine jener Flammen, die Kunta von seiner Reise kannte, nur war diese hier von etwas Durchsichtigem, Glänzendem eingeschlossen und nicht von Eisen. Er hatte so etwas noch nie gesehen; es war fest, dabei aber durchsichtig, wie nicht vorhanden. Ihm blieb keine Zeit, es näher in Augenschein zu nehmen, denn die drei Schwarzen wichen schnell zur Seite, als ein neuer toubob an ihnen vorbei zum Kasten trat, der neben ihm anhielt. Die beiden toubobs begrüßten sich, und einer der Schwarzen hielt die Flamme hoch, damit der toubob im Kasten beim Hinuntersteigen besser sehen konnte. Sie schüttelten einander freundlich die Hände und gingen dann miteinander zum Haus.
In Kunta keimte Hoffnung auf. Würden die Schwarzen ihn jetzt befreien? Er hatte dies noch kaum gedacht, da beleuchtete die Flamme ihre Gesichter, und er sah, daß sie allesamt über ihn lachten. Was waren das für Schwarze, die auf ihresgleichen herabsahen und wie Ziegen für die toubobs arbeiteten? Wo kamen sie nur her? Sie sahen so aus wie Afrikaner, aber sie waren zweifellos keine.
Der Kutscher rief dem Tier etwas zu und klatschte mit den Riemen, und der Kasten rollte weiter. Die anderen Schwarzen gingen lachend nebenher, bis er wiederum stehenblieb. Der schwarze Kutscher stieg ab, kam nach hinten, riß im Schein der Flamme an Kuntas Kette, die er knurrend unter der Sitzbank losgemacht hatte, und bedeutete Kunta abzusteigen.
Kunta unterdrückte den Drang, allen vier Schwarzen an die Kehle zu springen. Im Augenblick war nichts zu machen, die Gelegenheit würde später kommen. Jeder Muskel schmerzte ihm, als er sich bemühte, rückwärts aus dem Kasten zu kriechen. Den anderen dauerte das zu lange, zwei Schwarze packten ihn, hoben ihn über die Wand und ließen ihn fast zu Boden fallen. Einen Augenblick später hatte der Kutscher das freie Ende von Kuntas Kette auch schon an einem dicken Pfosten befestigt.
Während er dort lag, von Schmerz, Angst und Haß zerrissen, schob ihm einer der Schwarzen zwei Blechnäpfe hin. Im Schein der Flamme sah Kunta, daß der eine fast ganz mit
Weitere Kostenlose Bücher