Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
sich vor, auch Bell besser kennenzulernen. Da er wußte, daß Masser Waller ihr Lieblingsthema war, begann er das Gespräch mit der Frage, warum Waller nicht verheiratet sei? »Oh, er war verheiratet – mit Miß Priscilla, als ich hierherkam. Sie war so hübsch wie ’n Kolibri. Und auch kaum größer. Deshalb ist sie ja auch im ersten Kindbett gestorben. Ein Mädchen hatte sie, das ist auch gestorben. Das war ’ne schreckliche Zeit. Und der Masser war nachher nie mehr wie früher. Immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten, als ob er sich hätt umbringen wollen. Er kann’s nicht ertragen, wenn jemand krank oder unglücklich ist, er muß helfen. Der Masser würde eine kranke Katze genauso pflegen wie einen kranken Nigger, wie diesen Fiedler, mit dem du dauernd redst – oder dich, als sie dich hierhergebracht haben. Er war so wütend, als er hörte, was sie mit deinem Fuß gemacht haben, daß er dich seinem eigenen Bruder John abgekauft hat. Dem seine Schuld war es aber auch nicht, das waren die elenden Niggerfänger, die er angestellt hat. Die haben gesagt, du wolltest sie umbringen.«
    Kunta gewann auf diese Weise nicht nur Einblick in die Lebensumstände der Schwarzen, ihm wurde jetzt auch bewußt, daß auch die Weißen wie andere Menschen Kummer hatten und Schmerzen litten, was ihr Verhalten allerdings noch keineswegs rechtfertigte. Er hätte die Sprache der Weißen gern gut genug gesprochen, um Bell seine Einsichten mitzuteilen und ihr die Geschichte zu erzählen, die er von Nyo Boto gehört hatte, von dem Jungen, der dem gefangenen Krokodil helfen wollte, und die Nyo Boto immer mit den Worten beendete: »Auf der Welt wird Gutes oft mit Bösem vergolten.«
    Als er an Nyo Boto dachte, fiel Kunta etwas ein, das er Bell schon lange hatte sagen wollen; jetzt schien der Augenblick günstig zu sein. Sie sähe fast wie eine schöne Mandinka-Frau aus, sagte er, nur sei ihre Haut heller.
    Ihre Antwort auf dieses Kompliment ließ nicht lange auf sich warten. »Was redest du da für ’n Unsinn?« erwiderte sie gereizt. »Weiß wirklich nicht, weshalb die Weißen immer noch Schiffsladungen von euch Afrika-Niggern rüberbringen!«

Kapitel 56
    Den ganzen nächsten Monat hindurch sprach Bell mit Kunta kein Wort und trug sogar selber den Korb mit Gemüse ins Haus. Doch eines Montagmorgens kam sie aufgeregt in den Garten und rief: »Der Sheriff war eben da. Im Norden sind Unruhen ausgebrochen. Die Weißen wollen dem König keine Steuern mehr zahlen. Luther muß anspannen, der Masser fährt zur Stadt. Er ist ganz aufgeregt!«
    Abends wollten die Schwarzen hören, was der Fiedler und der Gärtner zu den Neuigkeiten zu sagen hatten; der Gärtner war der älteste, der Fiedler war am weitesten in der Welt herumgekommen.
    Auf die Frage, wann denn die Unruhen ausgebrochen seien, sagte der Gärtner: »Bis wir hier was aus dem Norden hören, vergeht eine ganze Weile.«
    Der Fiedler fügte hinzu: »Von da oben, wo dieses Boston liegt, brauchen schnelle Pferde mindestens zehn Tage bis Virginia.«
    Nach Einbruch der Dunkelheit kam der Wagen des Masser zurück. Luther eilte zum Sklavenquartier mit weiteren Einzelheiten, die er aufgeschnappt hatte: »In Boston sind die Weißen wegen den Steuern so wütend auf den König, daß sie auf die Soldaten los sind. Die Soldaten haben geschossen, und der erste Tote war ein Nigger namens Grispus Attucks. Es heißt ›Die Massakrierung von Boston‹.«
    Während der nächsten Tage wurde über kaum etwas anderes gesprochen. Kunta verstand nur schwer, worum es ging und weshalb die Weißen – und sogar die Schwarzen – sich über Dinge aufregten, die so weit weg geschahen. Kaum ein Tag verging, ohne daß zwei, drei vorüberkommende Sklaven von der großen Straße her neue Gerüchte herüberriefen. Und Luther berichtete, was er von den Haussklaven, Stallburschen und anderen Kutschern erfuhr, mit denen er sprach, wenn der Masser ausfuhr, um Kranke zu besuchen oder mit anderen Massers in ihren großen Häusern oder in der Stadt die Vorgänge in New England zu bereden.
    »Die Weißen können nichts geheimhalten«, sagte der Fiedler zu Kunta. »Sie haben überall Nigger um sich. Was sie tun, wo sie hingehn, immer ist ein Nigger da, der zuhört. Wenn sie beim Essen reden, serviert ein Niggermädchen, das sich dumm stellt und jedes Wort behält. Wenn die Weißen vor Angst die Wörter buchstabieren, weil ein Nigger in der Nähe ist, sagen die Hausnigger alles einem Nigger, der buchstabieren kann. Die Nigger gehn

Weitere Kostenlose Bücher