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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Sklaven kaufen kann!« sagte der alte Gärtner verächtlich. »Wo Nigger sind, werden alle Straßen bewacht, und Sklaven, die ohne Erlaubnis vom Masser auf der Straße erwischt werden, tun sie auspeitschen und einsperren. Das machen die armen Weißen. Die schlagen gern fremde Nigger; weil sie selbst keine nicht haben. Und weil sie Angst haben. Alle Weißen denken, Nigger, die frei rumlaufen, machen Aufstand. Die Pattroller sagen, der Nigger will Aufstand machen, ziehn ihn nackt aus vor Frau und Kindern und schlagen ihn blutig.«
    Erfreut über Kuntas offensichtliches Interesse und seinen Besuch, fuhr der alte Gärtner fort: »Unser Masser will das nicht. Deshalb hat er auch keinen Aufseher. Er sagt, er will keinen, der seine Nigger schlägt. Er sagt, seine Nigger sollen selbst auf sich aufpassen, gut arbeiten und nichts gegen die Regel machen. Er sagt, bei ihm gibt’s keinen Nigger, der was gegen die Regel macht.«
    Kunta hätte gern gewußt, was das für Regeln waren, aber der Gärtner sprach gleich weiter. »Warum der Masser so ist? Weil seine Familie schon reich war, als die von England übers Wasser gekommen sind. Wallers waren schon immer so reich, wie die andern Massers hier sein möchten. Aber die meisten sind bloß Waschbärjäger, haben ein Stück Land und ein, zwei Nigger, die sich totschuften müssen.«
    Der Alte mußte Atem holen. »Die meisten Pflanzungen haben nur so ein bis fünf, sechs Nigger. Wir hier zwanzig, das ist schon viel. Zwei von drei Weißen haben überhaupt keine Sklaven, hab ich gehört. Ganz große Pflanzungen mit fünfzig oder hundert Sklaven sind nur, wo schwarze Erde ist; und bei den Flüssen wie in Louisiana und Mississippi und Alabama, da gibt’s auch welche; und an der Küste unten in Georgia und Süd-Carolina, wo Reis wächst.«
    »Wie alt bist du?« fragte Kunta unvermittelt.
    Der Gärtner sah ihn an. »Älter, als du oder sonstwer glaubt.« Er schaute versonnen drein. »Als Kind hab ich noch das Kriegsgeschrei der Indianer gehört.«
    Nach einem Augenblick des Schweigens blickte er auf und begann zu singen: »Ah, yah, tair umbam, boowah –« Kunta sah ihn verblüfft an. »Kee lay zee day nic olay, man lun dee nic o lay ah wah nee –.« Der Alte hielt inne und sagte dann: »Hat meine Mutter immer gesungen. Hat gesagt, hat es von ihrer Mutter. Die war aus Afrika wie du. Verstehst du die Wörter?«
    »Kann Serere sein«, sagte Kunta. »Aber die Wörter kenn ich nicht. Ich hab Serere gehört auf dem Schiff, das mich rübergebracht hat.«
    Der alte Gärtner blickte sich verstohlen um. »Muß aufhören mit diesem Singen. Vielleicht hört’s wer und sagt es dem Masser. Die Weißen wollen nicht, daß Nigger afrikanisch reden.«
    Kunta hatte sagen wollen, daß der alte Gärtner bestimmt ein Gambier vom Stamm der Wolof war; er hatte die gebogene Nase und die platten Lippen, und seine Haut war noch dunkler als die der Angehörigen anderer gambischer Stämme. Doch nun hielt er es für besser, nicht von solchen Dingen zu sprechen, sondern fragte statt dessen, wo der Alte hergekommen und wie er auf diese Pflanzung geraten sei. Der Gärtner antwortete erst nach einer ganzen Weile. »Wer viel mitgemacht hat, lernt auch ’ne Menge.« Er sah Kunta prüfend an und schien zu überlegen, ob er weitersprechen sollte. »Früher war ich stark. Konnte Eisen überm Bein biegen und Lasten schleppen, wo ein Maulesel drunter zusammengebrochen wär. Konnte am ausgestreckten Arm einen Mann verhungern lassen. Aber mein alter Masser hat mich zu Tode geprügelt, bevor er mich dem Masser hier überschrieben hat, bei dem er Schulden hatte.« Er schwieg einen Moment. »Jetzt bin ich schwach, mach nur noch meine Zeit ab.«
    Wieder blickte er Kunta forschend an. »Weiß wirklich nicht, warum ich dir das alles erzähl. Bin nicht so krank, wie ich tu. Aber wenn der Masser glaubt , mir geht’s schlecht, verkauft er mich nicht. Ich hab gesehn, du kommst mit dem Garten zurecht?« Er zögerte einen Augenblick. »Ich könnte dir wieder helfen, wenn du willst – aber nicht zuviel. Ich taug einfach nichts mehr«, sagte er traurig.
    Kunta dankte dem Alten für das Angebot, versicherte ihm aber, er schaffe es schon allein. Kurz darauf verabschiedete er sich und machte sich auf dem Weg zu seiner Hütte Vorwürfe, weil er für den alten Mann nicht mehr Mitleid empfand. Es war schlimm, daß er soviel gelitten hatte, doch Kunta hatte ein taubes Ohr für Leute, die sich geschlagen gaben.
    Gleich am nächsten Tag nahm Kunta

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