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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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viele schwarze Kinder Geige und Harfe und andere Instrumente spielen könnten, weil sie zugehört und zugesehen hatten, wenn ihre Spielgefährten von Musiklehrern unterrichtet wurden, die ihre reichen Massers über das große Wasser herübergeholt hatten. Und der alte Gärtner sagte, daß auf seiner zweiten Pflanzung ein weißer Junge den schwarzen, mit dem er aufgewachsen war, sogar mit zum William and Mary College genommen hatte. »Der alte Masser wollte das ja nicht, aber die alte Missy sagte: ›Es ist sein Nigger, soll er doch, wenn er will.‹ Und wie dieser Nigger dann später wieder zurückkommt, erzählt er uns im Sklavenquartier, daß da noch viele Massers mit ihren Nigger-Dienern waren, die mit ihnen in einem Zimmer geschlafen haben. Er sagt, daß sie oft ihre Nigger mit in die Klasse genommen haben, und nachher haben sie sich dann gezankt, wem sein Nigger am meisten gelernt hat. Dieser Nigger von meiner Pflanzung konnte nicht nur schreiben und lesen, er konnte sogar rechnen und Gedichte aufsagen und all so was, was sie sonst noch im College lernen. Um die Zeit ungefähr bin ich verkauft worden. Möchte wissen, was aus ihm geworden ist.«
    »Wenn er nicht längst tot ist, hat er Glück gehabt«, sagte der Fiedler. »Weil, die Weißen haben so einen Nigger immer gleich im Verdacht, daß er irgendwo einen Aufstand oder eine Meuterei ausheckt. Es zahlt sich nicht aus, zuviel zu wissen, das hab ich genau auch dem Afrikaner hier gesagt, wie er anfing, den Masser zu kutschieren. Mund zu und Ohren auf, so lernst du am meisten.«
    Bald darauf, als Masser Waller einen Freund von einer Pflanzung zur anderen mitnahm, wurde Kunta klar, wie recht der Fiedler hatte. Der Masser und sein Gast unterhielten sich, als sei er gar nicht vorhanden – und sie äußerten Dinge, die Kunta selbst dann höchst merkwürdig erschienen wären, wenn sie nicht gewußt hätten, daß dicht vor ihnen ein Schwarzer saß. So redeten sie davon, wie aufreizend langsam ihre Sklaven die Baumwolle zupften, während doch die Nachfrage nach Baumwollstoffen so rapide anstieg. Und sie sprachen auch darüber, daß sich mit der Zeit überhaupt nur noch die größten Pflanzer leisten konnten, Sklaven zu den räuberischen Preisen zu kaufen, die die Sklavenhändler und die Sklavenschiffsagenten verlangten.
    »Aber selbst wenn man es sich leisten könnte, schafft die Expansion nur mehr Probleme, als sie löst«, sagte der Masser. »Je mehr Sklaven man hat, um so größer wird auch die Gefahr, daß sich irgendein Aufruhr zusammenbraut.«
    »Wir hätten ihnen niemals erlauben dürfen, während des Krieges Waffen auf Weiße zu richten«, erwiderte sein Begleiter. »Jetzt haben wir die Folgen.« Und er erzählte, wie auf einer großen Pflanzung bei Fredericksburg einige ehemalige Sklaven-Soldaten gerade noch vor einem geplanten Aufstand geschnappt worden waren, und das auch nur, weil ein Hausmädchen Wind von der Sache bekommen und es unter Tränen ihrer Mistress erzählt hatte. »Sie hatten Musketen, Sensen, Mistgabeln, ja, sie hatten sogar Speere gemacht«, sagte der Freund des Masser. »Sie sollen geplant haben, nachts zu morden und zu brandschatzen und sich bei Tag zu verstecken und immer in Bewegung zu bleiben. Einer ihrer Rädelsführer hat gesagt, sie hätten damit gerechnet, zu sterben, aber nicht ehe sie ihre im Krieg erworbenen Kenntnisse an den Weißen erprobt hätten.«
    »Das hätte vielen Unschuldigen das Leben gekostet«, hörte Kunta den Masser ernst sagen. Und dann fuhr er fort, er habe irgendwo gelesen, seit den ersten Sklavenschiffen habe es über zweihundert Sklavenrevolten gegeben. »Ich sage schon seit Jahren, unsere größte Gefahr ist, daß eines Tages die Sklaven uns Weißen zahlenmäßig überlegen sind.«
    »Du hast ja so recht!« rief sein Freund aus. »Weiß man denn, wer von ihnen grinsend herumschlurfend plant, einem die Kehle durchzuschneiden? Selbst von denen, die mit einem im Haus sind? Man kann einfach keinem trauen. Es steckt ihnen im Blut.«
    Und Kunta, dessen Rücken steif wie ein Brett geworden war, hörte den Masser sagen: »Ich hab als Arzt so manchen Todesfall unter Weißen gesehen, der mir – nun, ohne in Einzelheiten zu gehen, kann ich nur sagen, der eine oder andere kam mir höchst verdächtig vor.«
    Kunta spürte kaum noch die Zügel in seinen Händen, es schien ihm unfaßbar, daß sie sich seiner Anwesenheit offenbar so überhaupt nicht bewußt waren. Und es schossen ihm all die Gerüchte durch den Kopf, die

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