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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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nach Afrika forderten. Allein schon der Gedanke daran schien Kunta höchst aufregend, auch wenn er spöttisch meinte, daß das wohl völlig ausgeschlossen sei, wo die Masser doch nicht nur um die Wette Schwarze kauften, sondern auch höhere Preise denn je für sie zahlten. Obwohl er wußte, daß der Fiedler fast lieber ein Sklave in Virginia als ein freier Mann in Afrika sein würde, wünschte Kunta, er könnte mit ihm darüber reden, denn der Fiedler schien immer über alles Wissenswerte unterrichtet zu sein, das sich irgendwo tat, sofern es auch nur das geringste mit Freiheit zu tun hatte.
    Leider war er seit nun schon zwei Monaten dem Fiedler ebenso mürrisch aus dem Wege gegangen wie dem Gärtner, und wenn er sich auch nicht eingestehen mochte, daß er die Gesellschaft der beiden entbehrte, konnte er sich nicht der Einsicht verschließen, daß er sich da irgendwie verrannt hatte. Als er beim nächsten Neumond wiederum einen Kiesel in seine Kalenderflasche gab, kam er sich völlig vereinsamt und von aller Welt verlassen vor.
    Bei der nächsten Begegnung mit dem Fiedler nickte Kunta ihm unsicher zu, aber der Fiedler ging weiter, als hätte er ihn gar nicht gesehen. Kunta war zutiefst betroffen. Am nächsten Tag sahen er und der Gärtner sich im selben Moment, und ohne auch nur zu zögern, schlug der Gärtner eine andere Richtung ein. Verletzt und bitter – und mit zunehmend schlechtem Gewissen – ging Kunta an diesem Abend stundenlang in seiner Hütte auf und ab. Am nächsten Morgen raffte er sich auf und humpelte durchs Sklavenquartier zur Tür der einst so vertrauten letzten Hütte. Er klopfte.
    Die Tür öffnete sich. »Was willst du?« fragte der Fiedler abweisend.
    Verlegen stotternd sagte Kunta: »Ich dachte bloß, ich komm mal vorbei.«
    Der Fiedler spuckte aus. »Ich will dir mal was sagen. Ich und Bell und der alte Mann, wir haben über dich geredet. Und alle sind wir uns einig, wenn wir was nicht ausstehn können, dann ist das ein launischer Nigger.« Er starrte Kunta an. »Das ist es nämlich. Krank oder so bist du ja nicht.«
    Kunta stand mit gesenktem Kopf da. Nach einer Weile wurde der Blick des Fiedlers freundlicher, und er trat zur Seite. »Wenn du schon da bist, kannst du auch reinkommen. Aber eins sag ich dir – zeig uns noch mal dein’ Arsch, und keiner spricht mit dir, da kannst du so alt wie Methusalem werden.«
    Kunta würgte seinen Zorn und das Gefühl der Demütigung hinunter, trat ein, setzte sich und zwang sich nach einem schier endlosen Schweigen, das der Fiedler von sich aus offensichtlich nicht zu brechen gedachte, von der »Zurück nach Afrika«-Bewegung zu erzählen. Der Fiedler sagte kühl, davon habe er schon lange gehört, und sie habe etwa soviel Aussicht auf Erfolg wie ein Schneeball in der Hölle. Dann ließ er sich von Kuntas enttäuschtem Gesicht ein wenig erweichen. »Ich will dir mal was sagen, wette, davon hast du noch nichts gehört. Oben im Norden, in New York, da gibt es was, das heißt Gesellschaft zur Befreiung von Sklaven. Die haben eine Schule für freie Nigger aufgemacht, die schreiben und lesen und irgendein Handwerk lernen wollen.«
    Kunta war so froh und erleichtert, weil der Fiedler überhaupt wieder mit ihm sprach, daß er kaum zuhörte, was der ihm erzählte. Nach einer Weile unterbrach sich der Fiedler plötzlich und sah Kunta forschend an. Endlich fragte er: »Halt ich dich auf?«
    »Hm?« fragte Kunta, der in Gedanken verloren gewesen war.
    »Ich hab dich vor fünf Minuten schon was gefragt.«
    »’Schuldigung. Ich hab grad über was nachgedacht.«
    »Na gut, wenn du nicht weißt, wie man zuhören tut, dann zeig ich dir, wie man’s macht.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    »Erzählst du nicht weiter?« fragte Kunta.
    »Inzwischen hab ich vergessen, was ich erzählen wollte. Hast du auch vergessen, was du gedacht hast?«
    »War nicht so wichtig. Ging mir bloß was im Kopf rum.«
    »Besser, du wirst es los, sonst kriegst du noch Kopfweh – oder ich.«
    »Ich kann aber nicht drüber reden.«
    »Ah!« sagte der Fiedler, als sei er beleidigt. »Wenn du denkst, du kannst mir nicht trauen …«
    »Mit dir hat das gar nichts zu tun. Es ist bloß, daß es was Persönliches ist.«
    In den Augen des Fiedlers leuchtete es auf. »Sag mal nichts. Es ist wegen einer Frau, oder?«
    »Nein, nicht so was!« sagte Kunta, dem vor Verlegenheit das Blut in den Kopf stieg. Er blieb noch einen Augenblick schweigend sitzen, dann stand er auf und sagte:

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