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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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erstes einen Namen zu hören bekomme, den der Masser bestimme.
    »Jetzt versteh ich!« sagte Bell. »Du mit deinen Afrika-Sitten! Du steckst so voll davon, daß du uns nichts wie Ärger damit machst. Aber für dieses Kind gibt’s keinen heidnischen Kram oder Namen!«
    Wütend stürmte Kunta aus der Hütte – und prallte fast mit Tante Sukey und Schwester Mandy zusammen, die mit Armladungen von Handtüchern und dampfenden Wasserkesseln auf dem Wege hinein waren.
    »Glückwünsche, Bruder Toby! Wir kommen uns um Bell kümmern.«
    Aber Kunta knurrte nur im Vorübergehen. Ein Feldarbeiter namens Cato war im Begriff, die erste Morgenglocke zu läuten und damit den anderen das Signal zu geben, sich mit ihren Eimern Waschwasser an der Pumpe zu holen. Kunta bog rasch vom Sklavenquartier hintenherum zur Scheune ab, nur bestrebt, möglichst weit von diesen ungläubigen Schwarzen wegzukommen, die von den toubobs darauf gedrillt waren, ängstlich vor allem zurückzuschrecken, was irgendwie nach dem Afrika roch, das doch ihrer aller Ursprung war.
    In seiner Zufluchtsstätte, der Scheune, fütterte, tränkte und striegelte Kunta ärgerlich die Pferde. Als die Frühstückszeit des Masser nahte, machte er wieder einen möglichst weiten Bogen bis zur Küchentür des Herrenhauses, wo er Tante Sukey, die Bell vertrat, pflichtgemäß fragte, ob der Masser ihn und den Wagen brauche. Sie würdigte ihn keiner Antwort und drehte sich nicht einmal um, sondern schüttelte nur den Kopf und verließ die Küche, ohne ihm auch nur das geringste zu essen zu geben. Kunta humpelte wieder zur Scheune und fragte sich, was Bell Tante Sukey und Schwester Mandy wohl gesagt haben mochte und was die nun im Sklavenquartier weitertratschten; und sogleich redete er sich ein, daß ihm nichts gleichgültiger sein könnte.
    Aber er mußte irgend etwas mit sich anfangen; er konnte ja nicht noch mehr Stunden untätig vertrödeln. Also trug er mehrere Pferdegeschirre vor die Scheune und schlug, wie so oft, die Zeit mit überflüssigem Putzen tot. Eigentlich wäre er gern zurück zur Hütte gegangen, um das Baby zu sehen – und sogar Bell –, aber jedesmal stieg bei dem Gedanken wieder Empörung darüber in ihm auf, daß die Ehefrau eines Kinte ihrem Kind irgendeinen toubob -Namen wünschen konnte, was nichts anderes wäre als der erste Schritt zu einem Leben voller Erniedrigung und Selbstverachtung.
    Um die Mittagszeit sah Kunta Tante Sukey einen Topf mit Essen hineintragen, vermutlich eine Art Suppe. Der Anblick machte ihn hungrig; wenige Minuten später ging er hinter die Scheune, wo frisch geerntete Süßkartoffeln unter Stroh zum Dörren aufgehäuft lagen, suchte sich vier von den kleineren heraus und aß sie roh, um seinen Magen zu beschwichtigen, wobei er sich selbst grenzenlos bedauerte.
    Der Abend dämmerte schon, ehe er sich überwand, nach Hause zu gehen. Als er die Vordertür öffnete und eintrat, war kein Laut aus der Schlafkammer zu vernehmen. Bell schläft vielleicht, dachte er und wollte eine Kerze auf dem Tisch anzünden.
    »Bist du’s?«
    Er konnte nichts Schroffes in Bells Tonfall entdecken. Er knurrte etwas Nichtssagendes, nahm die Kerze, schob den Vorhang beiseite und ging in die Schlafkammer. Im rötlichen Lichtschimmer sah er, daß Bells Gesichtsausdruck so unnachgiebig war wie sein eigener.
    »Hör mal, Kunta«, kam sie ohne Umschweife zur Sache, »ich weiß über unsern Masser in ein paar Punkten besser Bescheid wie du. Mach ihn nicht verrückt mit deinem Afrikafimmel. Sonst läßt er uns alle drei bei der nächsten County-Auktion verkaufen, so sicher, wie wir geboren sind!«
    Kunta beherrschte seine Wut, so gut er es vermochte, und suchte nach Worten, die Bell seine bedingungslose Entschlossenheit zu verstehen geben könnten. Sein Kind würde, auf jede Gefahr hin, keinen toubob-Namen tragen, und außerdem sollte ihm der Name auf die rechte Art gegeben werden.
    Wie sehr Bell dies auch mißbilligte, so fürchtete sie doch noch mehr Kuntas mögliche Reaktion, falls sie sich weigerte. Mit düsteren Vorahnungen willigte sie schließlich ein. »Was für ein voodoo hast du jetzt wieder vor?« fragte sie mißtrauisch. Und als er sagte, er wolle das Kind nur eine Weile mit sich hinausnehmen, bestand Bell darauf, daß er wenigstens wartete, bis es aufwachte und sie es stillen konnte, sonst würde es hungrig werden und schreien; das leuchtete Kunta sofort ein. Bell zählte darauf, daß das Baby frühestens in zwei Stunden aufwachen würde, und um

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