Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
mußte er darauf gefaßt sein, daß Masser Wallers flachshaarige, nun vierjährige kleine Nichte sich über Kizzys Körbchen beugte und gurrte: »Ach, bist du süß! Das wird lustig mit uns beiden, wenn du erst soweit bist, was? Beeil dich und wachs ganz schnell, ja?« Kunta sagte nie etwas dazu, aber die Galle kam ihm hoch, wenn er sah, wie dieses toubob- Kind so tat, als sei Kizzy nur zur Welt gekommen, um ihm als Spielzeug, als eine besonders interessante Puppe zu dienen. Bell hielt es offenbar nicht für nötig, ihn nach seinen Gefühlen zu fragen, wenn er seine Tochter so mit der Tochter des Mannes, der ihn einst gekauft hatte, sehen mußte.
    Kunta grübelte verbittert darüber nach und hatte manchmal sogar den Verdacht, daß Bell sich überhaupt weniger um seine Gefühle kümmerte als um die des Masser. Er gab es auf, die Abende zu zählen, an denen sie von nichts anderem redete, als welch ein Segen es doch sei, daß Missy Anne auf dem besten Wege war, Masser Wallers leibliche Tochter zu ersetzen, die mitsamt ihrer Mutter bei der Geburt gestorben war.
    »O Gott, ich mag gar nicht dran zurückdenken!« schniefte sie. »Die arme kleine niedliche Missis Priscilla war ja kaum größer wie ’n halbflügges Vögelchen und lief jeden Tag hier rum, sang vor sich hin, lächelte mich an und klopfte sich auf den Bauch und wartete nur noch auf ihr Baby. Und dann an einem Morgen dieses fürchterliche Geschrei, bis sie tot war, sie und das kleinwinzige Dingelchen gleich mit! Seit dem Tag hab ich den Masser, glaub ich, kaum mehr lächeln sehn – wenigstens nicht, bis diese kleine Missy Anne gekommen ist.«
    Kunta fühlte wenig Mitleid mit der Einsamkeit des Masser. Er fand, der Masser sollte wieder heiraten, dann hätte er Besseres zu tun, als dauernd seine Nichte anzuhimmeln und zu verwöhnen, und eine Wiederheirat würde mit ziemlicher Sicherheit Missy Annes Besuche auf der Pflanzung in Grenzen halten – und damit auch die Herumspielerei mit Kizzy.
    »Von Anfang an«, schwärmte Bell weiter, »hat der Masser das kleine Ding auf den Schoß genommen, an sich gedrückt, und zu ihr geredet, sie in Schlaf gesungen und sie dann noch lange in den Armen gehalten, statt sie ins Bett zu stecken. Er konnte einfach kein Auge von ihr wenden, solang sie da war. Und ich weiß, im Herzen fühlt er sich, wie wenn er ihr Daddy wär.«
    Hierauf pflegte Bell zu betonen, daß es den Masser noch freundlicher gegen sie beide stimme, von Kizzy ganz zu schweigen, wenn Missy Anne eine Kinderfreundschaft knüpfte, die sie noch öfter ins Haus ihres Onkels führte als zuvor. Masser John und seine kränkliche Frau verletzte es keineswegs, daß ihre Tochter sich so innig an den Onkel anschloß, denn, wie Bell schlau hinzufügte, »über Missy Anne ist am sichersten an Massers Geld ranzukommen!«. So hochnäsig Masser John auch tue – sie, Bell, wisse genau, daß er ihren Masser hin und wieder anpumpte. Davon wußte Kunta ebenfalls genug, um Bells Worte nicht in Zweifel zu ziehen. Ihm selbst war es freilich ganz egal, welcher toubob reicher war als ein anderer; für ihn waren alle gleich.
    Seit Kizzys Geburt teilte auch Kunta immer öfter, wenn er den Masser auf seinen Besuchsrunden fuhr, Bells häufig geäußerten Wunsch, der Masser möge wieder heiraten – allerdings aus grundlegend anderen Motiven. Bell bedauerte den Masser grenzenlos. »Der arme Masser, so einsam und verlassen in dem großen Haus, kann einem bloß leid tun. Wirklich. Ich glaub, nur deshalb hetzt er dich immerzu mit dem Wagen auf den Landstraßen rum; er will selber in Bewegung bleiben, das ist besser als einsam rumhocken. Du lieber Gott, das sieht ja sogar schon die klitzekleine Missy Anne! Wie sie das letztemal hier war und ich ihnen das Essen serviere, da sagt sie doch plötzlich: ›Onkel William, warum hast du eigentlich keine Frau wie alle andern?‹ Der arme Kerl wußte gar nicht, was er ihr drauf antworten sollte.«
    Kunta hatte es Bell nie erzählt, gerade weil sie ihre Nase zu gern in toubob -Angelegenheiten steckte, aber er kannte mehrere weiße Damen, die sich fast die Hacken abliefen, um den Masser zu begrüßen, sobald Kunta den Wagen in ihre Auffahrt lenkte. Die dicke schwarze Köchin einer seiner Dauerpatientinnen hatte Kunta verächtlich mitgeteilt: »Diese alte Kuh hat nichts, was nicht verdammt schnell heilen würde, wenn sie nur deinen Masser in die Finger kriegen könnte. Einen Mann hat sie mit ihrem Getue und Gezanke schon ins Grab gebracht, und nun stellt

Weitere Kostenlose Bücher