Wurzeln
wohlklingenden Instrumenten, bestehend aus Kürbisschalen, die unter Holzklötzen unterschiedlicher Länge befestigt waren, die mit Schlegeln bearbeitet wurden. Zuhörer sammelten sich um sie und klatschten Beifall. Wenn Kunta und seine Freunde die Geißen heimgetrieben hatten, zogen auch sie musizierend durchs Dorf, bliesen Bambusflöten, klingelten mit Schellen und rasselten mit ausgehöhlten Kürbissen.
Die Männer ruhten sich jetzt aus, sie hockten und lagen im Schatten des Affenbrotbaumes und schwatzten. Diejenigen im Alter von Omoro hielten achtungsvoll Abstand zu den Mitgliedern des Ältestenrates, die wie üblich wichtige Angelegenheiten des Dorfes besprachen und entschieden. Hin und wieder erhoben sich einige der Jüngeren, reckten und streckten sich und machten einen kleinen Bummel durchs Dorf, die Finger lose ineinander gehakt, wie es seit undenklichen Zeiten die yaya -Manier der Afrikaner ist.
Manche Männer verbrachten auch viele Stunden mit geduldiger Schnitzarbeit, und Kunta und seine Freunde standen oft staunend vor den geheimnisvollen und furchterregenden Masken, welche die Schnitzkünstler für die Festtänzer machten; darüber vergaßen sie sogar, mit ihren Schleudern zu spielen. Man sah auch Nachbildungen von Menschen und Tieren, Arme und Beine sehr eng am Körper, die Füße flach, die Köpfe erhoben.
Binta und die anderen Frauen verschnauften, so gut sie konnten, täglich am Brunnen; man nahm hier einen kühlen Trunk und schwatzte ein bißchen. Das bevorstehende Fest ließ sie aber kaum zur Ruhe kommen. Die Kleidungsstücke mußten fertiggestellt, die Hütten geputzt, getrocknete Nahrung eingeweicht, Ziegen geschlachtet werden. Wichtiger aber war, daß die Frauen sich selber für das Fest so sehr herausputzten als nur möglich.
Kunta fand, daß die gleichaltrigen Mädchen, die oft und oft mit ihm um die Wette auf die Bäume geklettert waren, ganz plötzlich ein albernes Gehabe an den Tag legten. Nicht einmal richtig gehen konnten sie mehr. Er begriff auch nicht, warum die Männer ihnen jetzt hinterhersahen – ungeschickte Geschöpfe, die beim besten Willen mit Pfeil und Bogen nicht umzugehen verstanden.
Bei manchen waren die Lippen aufgeschwollen, bis der Mund fast faustgroß war; sie hatten in die Innenseite der Lippen Dornen gedrückt und die Wunden mit schwarzem Ruß beschmiert. Alle mehr als zwölf Regen alte weibliche Wesen kochten allabendlich einen Sud aus zerstampften Fudanoblättern, in den sie Füße und Handflächen tauchten, bis sie tintenschwarz wurden. Binta war da keine Ausnahme. Als Kunta sie fragte, was denn das solle, schickte sie ihn weg. Er fragte also seinen Vater. »Eine Frau ist um so schöner, je schwärzer sie ist«, war die Antwort.
»Warum denn bloß?« fragte Kunta.
»Das wirst du eines Tages schon verstehen.«
Kapitel 12
Als die tobalo -Trommel bei Tagesanbruch erdröhnte, sprang Kunta von seinem Lager. Zusammen mit den Erwachsenen liefen er und seine Altersgenossen zum Kapokbaum, unter dem die Dorftrommler bereits am Werk waren, auf ihre Trommeln einschrien wie auf lebendige Wesen und die straffen Ziegenfelle mit wirbelnden Händen bearbeiteten. Die in ihren Kostümen herbeiströmenden Dorfbewohner reagierten mit langsamen, aber immer rascher werdenden Tanzbewegungen, und nicht lange, da tanzten so gut wie sämtliche Einwohner von Juffure. Kunta kannte ähnliche Zeremonien von der Aussaat und der Ernte her, von dem Aufbruch zur Jagd, von Heirat, Geburt und Totenfeier, doch niemals hatte ihn der Tanz so ergriffen wie jetzt. Er verstand nicht recht, warum das so war, konnte aber nicht widerstehen. Jeder Erwachsene schien mit seinem Tanz etwas auszudrücken, das einzig in seinem Bewußtsein vorhanden war. Kunta traute seinen Augen kaum, als er in der wildbewegten Menge von hüpfenden, springenden, zuckenden, kreisenden Masken die alte Nyo Boto laut schreiend die Hände vor das Gesicht halten und vor einem unsichtbaren Schrecken zurückweichen sah. Sie lud sich eine ebenfalls unsichtbare Last auf, stieß und trat um sich und stürzte zu Boden.
Kunta schaute hierhin und dahin, er suchte bekannte Gestalten unter den Tanzenden, und richtig, er entdeckte den alimamo , der, eine grauenhafte Maske vor dem Gesicht, sich wieder und wieder um einen Baumstamm zu ringeln versuchte wie eine Schlange. Greisinnen, die älter waren als Nyo Boto, kamen auf dürren Beinen aus ihren Hütten gekrochen, flappten mit den Armen, blinzelten mit tränenden Augen in die Sonne und
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