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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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eigenen Augen, wie sie sich ausbreiten. Sie werden Hafen- und Lagerarbeiter, Händler, Leichenbestatter, Gärtner. Sie stellen die besten Köche und, natürlich, Musikanten! Und in Lynchburg soll’s in der ganzen Stadt keinen einzigen weißen Barbier mehr geben. Dort müßt ich mir einen Bart stehen lassen – nie ließe ich einen Schwarzen mit einem Rasiermesser meiner Gurgel zu nahe kommen!«
    Sie lachten beide. Dann wurde der Masser wieder ernst. »Ich glaube, das größere soziale Problem, das sich in den Städten zusammenbraut, geht nicht auf das Konto der freien Schwarzen, sondern dieser aalglatten, verlogenen Sklavenhändler. Die meisten sollen ehemalige Kneipenwirte, Spekulanten, Spieler, Winkeladvokaten, Wanderprediger und ähnliches sein. Drei oder vier haben mich schon in der Stadt angesprochen und mir unbesehen jeden Preis für meine Sklaven geboten, und einer hatte sogar die Frechheit, seine Karte bei mir zu Hause abzugeben! Soweit es mich betrifft, halte ich solche Leute für gewissenlose Aasgeier.«
    Inzwischen waren sie vor Masser Wallers Haus angekommen, und Kunta sprang mit einem Gesicht, als hätte er kein Wort gehört, vom Bock, um den Herren aus dem Wagen zu helfen. Bis sie drin waren, sich nach der staubigen Fahrt gewaschen hatten, im Salon wieder zusammentrafen und Bell riefen, um sich von ihr eine Erfrischung bringen zu lassen, wußten Bell und alle übrigen Schwarzen schon die lebenswichtige Neuigkeit, daß der Masser nicht die Absicht hatte, sie zu verkaufen. Und gleich nach dem Abendessen wiederholte Kunta seinem verzückt lauschenden Publikum haarklein das gesamte Gespräch der beiden Massers, so gut er es nur wiedergeben konnte.
    Sekundenlang herrschte Stille. Dann sagte Schwester Mandy: »Wie war das – der Masser und sein Vetter sagen, freie Nigger sparen, bis sie ihre Familien freikaufen können. Nun möcht ich bloß wissen, wie sie selber mal freigekommen sind!«
    »Ganz einfach«, sagte der Fiedler. »Die Massers in der Stadt haben ihre Nigger schon früher oft Handwerke gelernt, und dann haben sie sie gegen Bezahlung vermietet und ihnen was von dem Geld abgegeben, wie Masser Waller es mit mir macht. So nach zehn, fünfzehn Jahren Sparen kann ein Mietnigger sich dann vielleicht bei seinem eigenen Masser freikaufen.«
    »Ach, deshalb bist du wohl so eifrig am Fiedeln?« fragte Cato.
    »Bestimmt nicht, weil ich die Weißen so gern tanzen seh!«
    »Hast du schon genug, um dich freizukaufen?«
    »Wenn ich das hätt, könntest du nicht so dämlich fragen. Dann wär ich nämlich nicht mehr hier.«
    Alles lachte, aber Cato bohrte weiter: »Wie nah bist du denn dran?«
    »Du mußt alles ganz genau wissen, was?« fragte der Fiedler ärgerlich. »Also schön: näher als vergangene Woche, aber nicht so nah wie nächste Woche.«
    »Schon gut. Und wenn du soweit bist, was machst du dann?«
    »Abhauen, Bruder! Wie der Wind nach Norden! Ich hör, da leben viel freie Nigger besser als manche Weiße. Klingt gut in meinen Ohren. Paßt auf, nächstens wohn ich Tür an Tür mit so ’nem hellhäutigen Mulatto und fang an, hellhäutig zu reden und reine Seide anzuziehn, wie die es alle tun, und dann spiel ich Harfe statt Fiedel und geh in ’n Verein, wo alle klug schwatzen über Bücher und Blumenpflege und solche feinen Sachen.«
    Als das Gelächter sich gelegt hatte, fragte Tante Sukey: »Wie findet ihr das eigentlich, daß die Weißen immer sagen, Mulatten und andre Helle arbeiten sich hoch, weil sie von dem Blut der Weißen viel mehr Schlauheit mitkriegen als wir andern?«
    »Na, die weißen Männer sorgen ja auch genug für schlaue Mischungen«, meinte Bell trocken.
    »Du redst hoffentlich nicht vom Aufseher meiner Mammy?« rief der Fiedler und spielte so überzeugend den Gekränkten, daß Cato vor Lachen fast vom Stuhl fiel und Beulah ihn mit einer Kopfnuß zurechtwies.
    »Ich bitte um Ruhe!« tönte der Fiedler. »Ich gedenke jetzt Tante Sukeys Frage ernsthaft zu beantworten! Wenn ihr nach Leuten wie mir urteilt, dann wißt ihr, daß hellhäutige Nigger gescheiter sein müssen als die andern! Nehmt zum Beispiel diesen braunen Benjamin Banneker. Die Weißen nennen ihn ein Zahlengenie, und er studiert sogar den Mond und die Sterne. Aber es gibt auch massenhaft schlaue Nigger, die ebenso schwarz sind wie ihr alle.«
    »Ich weiß noch«, warf Bell ein, »der Masser hat mal von einem James Derham geredet, der ist Niggerdoktor in New Orleans. Der weiße Doktor, der ihm alles gelernt hat, sagt, James

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