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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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hinzu, »der Masser würde keinen von uns ohne ernsten Grund verstoßen – oder kann sich’s einer von euch vorstellen?«
    Aber niemand antwortete.

Kapitel 79
    Kunta spitzte die Ohren bei dem Gespräch des Masser mit einem seiner bevorzugten Vettern, den er zum Essen mit nach Hause nahm. Beide Herren saßen hinten im Einspänner.
    »Neulich hab ich eine Distriktsauktion mit angesehen«, erzählte der Masser gerade. »Dabei habe ich zu meinem Erstaunen festgestellt, daß sogar ganz mittelmäßige Feldarbeiter beim Verkauf zwei- bis dreimal soviel bringen, als sie vor wenigen Jahren gekostet haben. Und in der Gazette wimmelt es von Annoncen, aus denen hervorgeht, daß für Tischler, Maurer und Schmiede – überhaupt alle Sklaven, die in irgendeinem Handwerk erfahren sind, egal ob Lederarbeiter, Seiler oder Musiker – bis zu zweitausendfünfhundert Dollar pro Stück geboten werden.«
    »Enorm!« sagte der Vetter.
    »Es ist überall dasselbe, seit die neue Baumwolltrennmaschine eingeführt worden ist. Soviel ich weiß, haben wir schon über eine Million Sklaven im Land, aber die Schiffe scheinen gar nicht genug neue bringen zu können, um die Nachfrage zu befriedigen. Besonders die unterversorgten Staaten im tiefen Süden wollen so den Anschluß an die Baumwollindustrie im Norden gewinnen.«
    »Mich beunruhigt dabei nur«, sagte der Masser, »daß derartig viele sonst ganz vernünftige Pflanzer sich von der Aussicht auf raschen Profit blenden lassen. Unser Staat Virginia läuft dadurch Gefahr, gerade die beste Sklavenqualität zu verlieren, mitsamt dem Nachwuchs – und das ist doch heller Wahnsinn!«
    »Wieso? Hat Virginia nicht immer mehr Sklaven gehabt, als gebraucht werden? Die meisten kosten mehr Unterhalt, als ihre Arbeit wert ist.«
    »Heute vielleicht«, sagte der Masser. »Aber woher sollen wir wissen, wieviel Arbeitskräfte wir in fünf oder zehn Jahren brauchen? Wer hätte je den Baumwollboom geahnt, den wir seit einem Jahrzehnt haben? Ich hab schon früher euerm beliebten Argument nie zugestimmt, daß Sklavenhaltung zuviel kosten würde. Auf jeder Plantage, die nur halbwegs gut organisiert ist, pflanzen, ziehen und ernten sie ja selber, was sie essen. Und im allgemeinen vermehren sie sich gut – jedes neugeborene Sklavenkind bedeutet für uns bares Geld. Viele sind sehr anstellig und bringen es zu Fertigkeiten, die ihren Wert noch erhöhen. Ich bin überzeugt, daß Sklaven und Grundbesitz – in dieser Reihenfolge – grade heute die beste Geldanlage sind. Aus demselben Grunde gedenke ich auch keinen zu verkaufen. Sie sind das Rückgrat unseres Wirtschaftssystems.«
    »Das System kann sich ändern, ehe man es recht merkt«, wandte der Vetter ein. »Sieh dir das unverschämte weiße Pack an, das so tut, als gehörte es bereits zur Klasse der Pflanzer, bloß weil diese Kerle sich zwei, drei total abgewrackte Sklaven gekauft haben, die sie bei einer jämmerlichen Baumwoll- und Tabakernte zu Tode schinden. Das ist richtiger Abschaum, und vermehren tut sich das Gesindel noch schneller als die Nigger. Wir haben bald so viele davon, daß wir um unsere Ländereien und unsere eigenen Arbeitskräfte fürchten müssen.«
    »Na, ich glaube kaum, daß wir uns deshalb große Sorgen machen müssen …«, der Masser lachte kurz auf, offenbar von dem Gedanken belustigt, »… solange sich die armen Weißen mit freien Schwarzen um ausrangierte Sklaven rangeln!«
    Der Vetter stimmte in sein Lachen ein. »Ja, ist es nicht unglaublich? Die Hälfte der freien Stadtnigger sollen Tag und Nacht schuften, um genug Geld zusammenzusparen, mit dem sie dann ihre Verwandten kaufen und freilassen können.«
    »Nur deshalb haben wir ja so viele freie Schwarze im Süden«, bemerkte der Masser.
    »Ich glaube, wir dulden zu viele davon in Virginia«, sagte der Vetter. »Es geht nicht nur darum, daß sie uns Arbeitskräfte wegnehmen, indem sie ihre Leute abziehen und immer mehr freie Schwarze schaffen. Sie sind auch die Drahtzieher bei den meisten Unruhen. Wir dürfen den schwarzen Schmied von Richmond nie vergessen!«
    »Sehr richtig!« sagte der Masser. »Ich glaub aber trotzdem, daß wir mit entsprechend strengen Gesetzen und scharfem Durchgreifen bei allen Unruhestiftern die Schwarzen in ihre Schranken weisen und die meisten zu nützlichen Zwecken verwenden können, auch in den Städten. Wie ich höre, sitzen sie schon in fast allen Handwerksberufen.«
    »Und wie!« sagte der Vetter. »Auf meinen vielen Reisen sehe ich es ja mit

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