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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Derham kann jetzt mehr als er, und dabei ist er so kohlschwarz, wie’s schwärzer gar nicht geht.«
    »Da kenn ich noch andre«, sagte der Fiedler. »Dieser Prince Hall, der den Nigger-Maurerorden gegründet hat! Und ich hab Bilder von großen Predigern gesehn, die Niggerkirchen aufmachen, und die meisten davon sind so schwarz, daß man sie abends nur sehen kann, wenn sie die Augen aufreißen. Und wie steht’s mit der Phyllis Wheatley? Die schreibt Gedichte, von denen sogar die Weißen ganz weg sind, und ein Gustavus Vassa schreibt ganze Bücher.« Der Fiedler sah zu Kunta hinüber. »Beide echte Afrika-Nigger, kein Tropfen weißes Blut drin, und die sind bestimmt nicht auf den Kopf gefallen! Natürlich«, fügte der Fiedler lachend hinzu, »wird’s auch immer bekloppte Nigger geben wie unsern Cato …«
    Er sprang auf und spielte »Wegrennen« vor Cato, der zwei Schritt hinter ihm blieb und brüllte: »Paß auf, daß ich dir nicht eins übern Schädel kloppe!«
    Kunta verschaffte sich bei dem allgemeinen Gewieher mühsam Gehör. »Lacht, soviel ihr wollt. Für die Weißen sind doch alle Nigger dasselbe. Ein einziger Tropfen Niggerblut, und für sie bist und bleibst du ’n Nigger, auch wenn du weißer aussiehst wie sie. Ich hab das nun oft genug mit angesehn.«
    Es war ungefähr einen Monat später, als der Fiedler von einem seiner Musikausflüge mit einer Neuigkeit zurückkehrte, über die er die Weißen überall jubeln gehört hatte – und die alle Bewohner des Sklavenquartiers in Trübsal verfallen ließ: Der Franzosenführer Napoleon hatte eine große Armee über das große Wasser gesandt, die nach langen Kämpfen und vielem Blutvergießen Haïti von den Schwarzen und ihrem Befreier, General Toussaint, zurückerobert hatte. Zu allem Unglück hatte Toussaint dann auch den Fehler gemacht, eine Dinner-Ein­ladung des siegreichen französischen Generals anzunehmen. Während des Essens war er von den Aufwärtern ergriffen, gefesselt und auf ein Schiff nach Frankreich geschleppt worden, um in Ketten vor Napoleon, der den Verrat angezettelt hatte, geführt zu werden.
    Kunta, der General Toussaints größter Verehrer auf der Plantage war, traf diese Nachricht härter als alle anderen. Er blieb niedergeschlagen in der Hütte des Fiedlers sitzen, während alle übrigen still und bedrückt abzogen.
    »Ich weiß, wie dir wegen Toussaint jetzt zumute ist«, sagte der Fiedler, »und du darfst nicht von mir denken, ich nehm’s leicht – aber ich hab noch ’ne andre Neuigkeit, die ich keinen Moment länger für mich behalten kann!«
    Kunta sah den Fiedler, der vor Glück zu platzen drohte, grimmig und beleidigt an. Welche Neuigkeit konnte schön genug sein, um die Demütigung des größten schwarzen Führers aller Zeiten wettzumachen?
    »Ich hab’s geschafft!« Der Fiedler bot ein Bild überströmender Freude. »Vorigen Monat, wie Cato wissen wollte, wieviel Geld ich schon gespart hab, hab ich nicht erzählt, daß mir bloß noch ’n paar Dollar fehlten – aber jetzt, mit diesem letzten Trip, ist der Rest genau beisammen! Mann, ich hab über neunhundertmal für die Weißen zum Tanz aufgespielt, und ich wußte selber nicht, ob ich’s je schaffen würde, drum hab ich mit niemand drüber gesprochen – nicht mal mit dir –, ehe es wirklich soweit war! Afrikaner, jetzt hab ich die siebenhundert Dollar, für die ich mich beim Masser freikaufen kann – das hat er mir schon vor langer Zeit fest zugesagt!«
    Kunta war wie vom Donner gerührt und fand keine Worte.
    »Sieh dir das an!« rief der Fiedler, riß seine Matratze auf und schüttelte sie aus; Hunderte von Eindollarnoten flatterten um ihre Füße. »Und das!« Er zog einen Jutesack unter dem Bett hervor und leerte ihn klingelnd über den Scheinen aus – Hunderte von Münzen jeder Größe.
    »Na, Afrikaner, was sagst du dazu? Oder hast du die Maulsperre?«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, brachte Kunta heraus.
    »Wie wär’s mit ’nem Glückwunsch?«
    »Ist zu schön, um wahr zu sein.«
    »Und ob’s wahr ist! Mindestens tausendmal nachgezählt. Ich hab sogar genug übrig, um mir ’nen Pappkoffer dazuzukaufen!«
    Kunta konnte es kaum fassen. Der Fiedler würde frei sein! Es war kein Traum! Kunta hätte zugleich lachen und weinen mögen – ebenso um seinetwillen wie um den Freund.
    Der Fiedler kniete sich nieder und begann sein Geld wieder einzusammeln. »Du bleibst jetzt aber mucksmäuschenstill bis morgen früh, hörst du? Bis ich beim Masser war und

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