Wurzeln
treuen, wenn auch nicht gar so leidenschaftlichen Beulah zu schenken. Dabei fiel ihm das große zimtfarbene Mädchen ein, das ihm Augen gemacht hatte, als er eines Nachts auf dem Heimweg zufällig auf eine Gruppe Sklaven gestoßen war, die heimlich im Wald ein Fest feierten. Wenn er sich nicht gleich an Ort und Stelle mir ihr eingelassen hatte, so nur darum, weil er von dem Feuerwasser, das sie ihm anbot, so betrunken gewesen war, daß er es kaum schaffte, noch vor Tagesanbruch wieder daheim zu sein. Aber er erinnerte sich, daß sie Ophelia hieß und daß sie dem reichen Masser Jewett gehörte, der, wie man erzählte, mehr als tausend Kampfhähne sein eigen nannte. Seine Familie besaß riesige Plantagen in Georgia und Süd-Carolina und eben auch diese in Caswell County. Es war ein langer Weg bis dahin, aber George beschloß, bei nächster Gelegenheit die Bekanntschaft mit dieser knusprigen Schönen zu erneuern, von der Masser Jewett vermutlich gar nicht wußte, daß sie ihm gehörte.
Kapitel 92
Als Masser Lea eines Sonntagmorgens wie gewohnt zum Hahnengrund kam, um seine Vögel zu inspizieren, war George schon zu seinem wöchentlichen Besuch im Sklavenquartier aufgebrochen. Dies war die Gelegenheit, auf die Mingo gewartet hatte. Nachdem sie eine Weile herumgegangen waren und gefachsimpelt hatten, bemerkte Onkel Mingo beiläufig: »Die fünfzehn oder zwanzig Vögel, die wir in jeder Saison aussondern, sind immer noch besser als alle, die man bei den Kleinkämpfen sieht. Ihr könntet was zuverdienen, wenn Ihr den Jungen mit den Lockhähnen auf Kleinkämpfe schickt, Masser.«
Onkel Mingo wußte sehr wohl, daß der Name Tom Lea in Gaswell County den Aufstieg eines armen Weißen symbolisierte, der auf Kleinkämpfen mit einem einzigen guten Vogel angefangen und es zum Besitzer einer ansehnlichen Zucht von Kampfhähnen gebracht hatte. Mehr als einmal hatte Onkel Mingo ihn sagen hören, wie gern er an diese Hungerjahre zurückdachte und daß er die Erregung bei jenen Kämpfen nicht weniger genossen hatte als jetzt bei den »Hauptturnieren«. Der einzige Unterschied, beteuerte Masser Lea, bestand darin, daß eine bessere Klasse von Leuten und auch von Kampfhähnen an den Hauptkämpfen teilnahm und daß wesentlich höhere Beträge gesetzt wurden; manche Besitzer von Kampfhähnen verloren oder gewannen im Verlaufe eines einzigen Turniers tatsächlich ein Vermögen. Kleinkämpfe waren für Leute, die zwei oder drei zweit- oder drittklassige Vögel kämpfen lassen konnten – arme Weiße, freie Nigger oder Sklaven, die sich Einsätze von fünfundzwanzig Cents bis zu einem Dollar erlauben konnten; wurden einmal zwanzig Dollar gesetzt, so nur, weil ein Kleinkämpfer den Kopf verlor und alles riskierte, was er in dieser Welt sein eigen nannte.
»Woher willst du wissen, daß er mit Vögeln im Ring umgehen kann?«
Onkel Mingo war erleichtert, weil der Masser seinen Vorschlag nicht glatt abgelehnt hatte: »Seit fünf Jahren tut er bei den Kämpfen aufpassen wie ein Luchs, Masser, dem entgeht nichts. Auf die Hähne versteht er sich, wie wenn er selber einer ist, und ein bißchen Nachhilfe ist alles, was er braucht. Und wenn er verliert, sind es doch bloß Vögel, die wir nicht mehr verwenden.«
»Mhm«, brummte der Masser und rieb nachdenklich das Kinn. »Ich hab nichts daran auszusetzen. Warum nimmst du nicht ein paar Lockhähne her, machst ihnen die Sporen stumpf und übst mit George? Wenn er bis zur nächsten Saison halbwegs was darstellt, strecke ich ihm ein paar Kröten vor, damit er ein bißchen wetten kann.«
»Das mach ich, Jasörr!« Onkel Mingo war selig. Seit Monaten trugen er und George in der Abgeschiedenheit des Hahnengrundes Kleinkämpfe aus; um zu vermeiden, daß ihre Lockhähne verletzt wurden, hatte Onkel Mingo ihnen selbstentworfene Futterale aus Leder über die Sporen gezogen. Als vorsichtiger Mann unterbreitete Onkel Mingo seinen Vorschlag Masser Lea erst, als er überzeugt sein konnte, daß sein Lehrjunge das Zeug zum erstklassigen Hahnenkämpfer hatte. Sammelte George bei Kleinkämpfen genügend Erfahrungen, würde er am Ende ebenso geschickt mit den Hähnen im Ring umzugehen verstehen wie Masser Lea selbst. Im übrigen war ganz richtig, was Onkel Mingo gesagt hatte: noch die Lockhähne einer so guten Zucht wie der von Masser Lea waren jenen Tieren überlegen, die für gewöhnlich an den Kleinkämpfen teilnahmen, die in jeder Saison sozusagen am Rande der großen Turniere ohne jedes Zeremoniell abgehalten
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