Wurzeln
beträchtlich heller als George, nämlich von jenem Nußbraun, das bei den echten Schwarzen »hellgelb« heißt. Charity ließ sich das nicht im geringsten anfechten; lachend vertraute sie George an, daß der weiße Aufseher einer großen Reis- und Indigoplantage in Süd-Carolina, Herr über mehr als hundert Sklaven, ihr Pappy war. Dort war sie aufgewachsen, mit achtzehn Jahren bei einer Versteigerung von Masser Teague erworben und als Hausmädchen eingestellt worden. Bekümmern tat sie nur, daß sie ihre Mammy und einen jüngeren Bruder, der praktisch weiß war, in Süd-Carolina zurückgelassen hatte. Die schwarzen Jungen, erzählte sie, hatten ihn gnadenlos gehänselt, bis ihre Mammy ihm riet, den Quälgeistern zu antworten: »Ein Truthahngeier hat mich ins Nest gelegt! Die Sonne hat mich ausgebrütet! Gott hat mir diese Farbe gegeben, und das geht euch schwarze Nigger überhaupt nichts an!« Seitdem, sagte Charity, hätten die anderen Burschen ihren Bruder in Frieden gelassen.
Die Enttäuschung darüber, daß der gescheiterte Aufstand im fernen Charleston ihn zweifellos hindern würde, einen Plan weiterzuverfolgen, der ihm seit geraumer Zeit im Kopf herumging, überschattete jedoch den Kummer wegen seiner Hautfarbe und deren Ursprung. Zwei Jahre hatte es gedauert, bis er den Mut aufbrachte, den Plan Onkel Mingo zu offenbaren, und ihm jetzt damit zu kommen hatte keinen Zweck, denn alles hing davon ab, ob Masser Lea seine Idee gutheißen würde oder nicht. Und Masser Lea war bestimmt noch für eine Weile unansprechbar, einerlei in welcher Sache. Zwar trug der Masser die Flinte nur eine Woche mit sich herum, aber er kam nur noch, um die Hähne zu inspizieren, er gab Onkel Mingo knappe Anweisungen und ritt mit grimmiger Miene davon.
George hatte die volle Bedeutung dessen, was in Charleston beinahe geschehen wäre, nicht erfaßt, und als zwei Wochen verstrichen waren, konnte er – trotz Onkel Mingos Warnungen – der Versuchung nicht widerstehen, heimlich eine seiner Freundinnen zu besuchen. Er wählte Charity, denn die war eine wahre Tigerin auf dem Lager von Maisstroh. Er wartete, bis er Onkel Mingo schnarchen hörte, dann lief er fast eine Stunde über die Felder bis zu den Nußbäumen, wo er sich mit dem Schrei des Ziegenmelkers zu melden pflegte. Als nach viermaligem Pfeifen die Kerze, das vertraute Signal »Du-kannst-kommen«, in Charitys Fenster ausblieb, wurde er besorgt. Gerade wollte er sein Versteck verlassen und sich heranschleichen, da bewegte sich etwas zwischen den Bäumen. Es war Charity. George wollte sie in die Arme schließen, doch sie erlaubte ihm nur eine kurze Liebkosung, bevor sie ihn zurückstieß.
»Was ist denn los, Baby?« So sehr erregte ihn der Moschusduft ihres Körpers, daß er ganz überhörte, wie unsicher sie sprach.
»Wie kann man so dumm sein, jetzt rumzuschleichen, wo so viele Nigger von den Pattrollern erschossen werden?«
»Na, dann gehn wir doch in die Hütte«, erwiderte George und legte seinen Arm um ihre Taille. Aber wieder stieß sie ihn fort.
»Du tust, als ob du vom Aufstand nichts gehört hast!«
»Ich weiß bloß, daß einer sein sollte, mehr nicht …«
»Dann hör mir mal zu.« Und Charity berichtete, was sie von ihrem Masser und ihrer Missis gehört hatte. Der Anführer, ein freier Schwarzer namens Denmark Vesey, Zimmermann und Bibelvorleser aus Charleston, hatte sein Vorhaben jahrelang geplant, bevor er sich vier guten Freunden anvertraute, die ihm halfen, Hunderte von freien Niggern und Sklaven in der Stadt anzuwerben. Vier schwerbewaffnete Gruppen sollten das Arsenal und andere wichtige Gebäude besetzen, ihre Gefährten alles niederbrennen und alle Weißen töten, deren sie habhaft würden. Eine Abteilung sollte in Rollwagen, Karren und Kutschen wild durch die Straßen jagen, die Weißen verwirren und an Gegenaktionen hindern.
»Aber an diesem Sonntagvormittag hat so ’n verschreckter Nigger seinem Masser erzählt, was um Mitternacht passieren soll, und da haben dann die Weißen in der ganzen Stadt die Nigger eingefangen, geschlagen und gefoltert: sie sollen sagen, wer sie angeführt hat. Bis jetzt haben sie schon dreißig oder vierzig gehenkt, und wo sie hinkommen, machen sie den Niggern die Hölle heiß, ebenso wie hier, und am schlimmsten in Süd-Carolina. In Charleston jagen sie die freien Nigger aus der Stadt und brennen ihre Häuser ab. Die Kirchen werden mit Brettern vernagelt, und die Niggerpfarrer sollen weg, weil sie den Niggern Lesen und
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