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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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wurden. Alles in allem schien es Onkel Mingo, daß George bei dieser Lage der Dinge nichts verlieren konnte.
    »Na, Junge, wie lange willst du noch mit offenem Mund dastehn?« fragte Onkel Mingo, nachdem er ihm die Neuigkeit mitgeteilt hatte.
    »Weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Daß ich den Tag noch erlebe, wo du nichts zu sagen weißt, ist wie ’n Wunder für mich.«
    »Ich … ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.«
    »Wenn du die Zähne so bleckst, brauchst du weiter nichts zu sagen. Los, an die Arbeit.«
    Den Sommer über hockten die beiden nun am späten Nachmittag mindestens eine Stunde einander gegenüber am Rande eines behelfsmäßig angelegten Ringes – kleiner im Durchmesser und flacher als vorgeschrieben, für Trainingszwecke aber durchaus zureichend. Wochen später kam der Masser, um einer Übungsstunde beizuwohnen. Beeindruckt von der Gewandtheit und den schnellen Reflexen, die George bei der Handhabung seiner Vögel am Ring zeigte, gab er ihm noch einige praktische Hinweise.
    »Dein Hahn soll schneller sein als der andre, stimmt’s? Jetzt schau mir mal zu …« Er nahm Mingo den Hahn aus der Hand. »Also! Der Schiedsrichter hat ›Fertig‹ gerufen, du hockst da und hältst deinen Vogel fest – aber sieh nicht den Hahn an! Schau nur auf den Mund des Schiedsrichters! Wenn der mit den Lippen das ›P‹ von ›Pit!‹ formt« – Masser Lea machte es vor –, »wirfst du die Arme hoch, und wenn du ›Pit!‹ hörst, ist dein Hahn schon gestartet.«
    Waren die Übungsstunden beendet und die Hähne wieder in den Käfigen, erzählte Onkel Mingo von Ruhm und Geld, die auch bei Kleinkämpfern zu gewinnen waren. »Nigger können bei Kleinkämpfen ebenso berühmt werden wie der Masser bei Hauptkämpfen. Und du kannst bei einem einzigen Kampf glatt acht, zehn oder zwölf Dollar gewinnen.«
    »Hab noch nie ’n Dollar besessen, Onkel Mingo! Weiß kaum, wie einer aussieht!«
    »Ich hab auch nicht viele gesehn, ich brauch auch keine mehr. Der Masser will dir Geld zum Wetten vorstrecken, und wenn du was gewinnst, läßt er dich vielleicht ’n Teil behalten …«
    »Du denkst, das macht er?«
    »Könnte schon sein, denn deine Idee mit den Spezialübungen für die Flügel hat ihm ein schönes Stück Geld eingebracht. Bloß, wenn er’s tut, hast du so viel Verstand, daß du dir was davon auf die Seite legst?«
    »Bestimmt tu ich das! Ganz bestimmt!«
    »Ich hab von Niggern gehört, die haben beim Hahnenkampf so viel gewonnen, daß sie sich freikaufen konnten!«
    »Ich kauf mich und meine Mammy frei!«
    Onkel Mingo kehrte George unvermittelt den Rü­cken. Die Eifersucht, die ihn da gepackt hatte, kam ihm nicht nur völlig unerwartet, sie brachte ihn auch so durcheinander, daß es ihm schwerfiel, eine Antwort zu finden. »Na ja«, stieß er endlich hervor, »nichts ist unmöglich.« Daß seine ehrliche und tiefe Zuneigung nicht im gleichen Maß Erwiderung fand, schmerzte ihn tief, und er ging rasch in seine Hütte, verwundert sah George ihm nach.
    Bei einem Turnier zu Beginn der Saison 1824 erfuhr Onkel Mingo von einem Heger, den er seit Jahren kannte, daß am kommenden Sonnabendnachmittag ein Kleinkampf ausgetragen werden sollte. »George ist gut in Form«, versicherte er dem Masser, und der kam denn auch am Sonnabendmorgen wie versprochen zum Hahnengrund und zählte Onkel Mingo zwanzig Dollar in Münzen und kleinen Noten auf den Tisch. »Ihr kennt meinen Grundsatz: Schickt keinen Vogel in den Ring, auf den ihr kein Geld riskieren wollt. Wer nicht setzt, kann nichts gewinnen. Ich leg das Geld vor, und es sind meine Hühner, und ich riskiere, daß ihr mein Geld verliert, darum verlange ich die Hälfte von eurem Gewinn, habt ihr das verstanden? Und wenn ich Grund habe zu dem Verdacht, daß ihr mich betrügt, zieh ich euch beiden das schwarze Fell über die Ohren!« Das war aber nicht ernst gemeint, in Wirklichkeit war der Masser guter Laune, und so antworteten sie im Chor: »Jasörr, Masser!«
    Als George sich dem Kampfring hinter der graugestrichenen Scheune näherte, sehr darauf bedacht, nicht merken zu lassen, wie aufgeregt er war, waren dort schon an die zwanzig schwarze Hahnenhalter versammelt, die schwatzend am Kampfring standen oder auf und ab schlenderten. George kannte die meisten von den großen Kämpfen her, an welchen sie gleich ihm mit ihren Massers teilgenommen hatten. Er winkte ihnen zu und begrüßte auch andere, deren farbenfrohe Kleidung und keckes selbstsicheres Auftreten ihn vermuten

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