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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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die Vögel von Masser MacGregor kämpfen vorsichtig und wachsam. Die von Cap’n Peabody halten beim Zustoßen die Beine eng zusammen, aber die von Masser Howard tun die Beine weiter auseinander, wenn sie angreifen. Die Vögel von dem reichen Masser Jewett halten sich dicht am Boden und picken, und wenn sie den andern mit dem Schnabel zu fassen kriegen, erledigen sie ihn auch gleich mit den Sporen …«
    Da George dem Blick des Masser auswich, entging ihm, mit welch gespannter Aufmerksamkeit dieser ihm zuhörte. »Wenn Ihr einverstanden seid, Masser, machen Onkel Mingo und ich mit den Vögeln ein paar Übungen, daß die Flügel stark werden. Dann können sie höher fliegen als die andern und von oben stechen. Draufkommen tut uns keiner so schnell.«
    Masser Lea starrte George an, als ob er ihn noch nie gesehen hätte.
    In den Monaten bis zu Beginn der neuen Saison verbrachte Masser Lea mehr Zeit als je zuvor im Hahnengrund, wo er Onkel Mingo und George zusah und manchmal sogar selbst Hand anlegte, wenn sie die Kampfhähne höher und höher in die Luft warfen. Aufgeregt mit den Flügeln schlagend, versuchten diese, ihr Körpergewicht von fünf bis sechs Pfund in der Luft zu halten, und dabei wurden ihre Brustmuskeln immer kräftiger.
    Die Hahnenkampfsaison des Jahres 1823 begann und nahm ihren Fortgang, ein »Hauptturnier« folgte auf das andere, und ganz wie George vorausgesehen hatte, konnte niemand sich erklären, wie und warum es den Lea-Hähnen gelang, erheblich mehr Kämpfe zu gewinnen als im vergangenen Jahr. Als die Saison zu Ende ging, hatten ihre stählernen Sporen neununddreißig von zweiundfünfzig Gegnern den Garaus gemacht.
    Etwa eine Woche später erschien Masser Lea eines Morgens in bester Laune, um zu sehen, welche Fortschritte die Gesundung von sechs seiner besten Vögel gemacht hatte, die während der Saison ernstlich verletzt worden waren.
    »Glaub nicht, daß der da noch durchkommt, Masser«, sagte Onkel Mingo und deutete auf einen Hahn, der so böse zugerichtet war und so schlaff dastand, daß Masser Lea seinem Heger zustimmte. »Aber die beiden hier können nächste Saison wohl wieder kämpfen.« Dann wies Mingo auf die letzten drei gesundenden Kandidaten. »Die werden nicht mehr gut genug für die Hauptkämpfe, aber als Lockhähne gehn sie noch, Masser.« Masser Lea zeigte sich von diesen Prognosen befriedigt und ging zu seinem Pferd; er drehte sich aber noch einmal um und sagte zu George: »Wenn du dich wieder mal nachts rumtreibst, nimm dich vor dem bösen Nigger in acht, der es mit demselben Hühnchen treibt wie du …«
    George war so sprachlos, daß Sekunden vergingen, bevor heller Zorn auf Onkel Mingo in ihm aufflammte, der ihn offenbar verraten hatte. Aber dann sah er, daß Onkel Mingo nicht weniger verblüfft war als er. Der Masser fuhr fort: »Missis Teague hat meiner Missis neulich erzählt, sie weiß gar nicht, ihr Hausmädchen ist in letzter Zeit immer so müde, aber dann hat sie von den Niggern gehört, das Mädchen treibt es nicht bloß mit dir, sondern auch noch mit dem alten Bock von nebenan …« Masser Lea lachte. »Kein Wunder, daß sie kaum noch krauchen kann!«
    Charity! Sie betrog ihn! Während George sich wütend daran erinnerte, wie hartnäckig sie ihn in jener Nacht von ihrer Hütte ferngehalten hatte, zwang er sich, zu der Eröffnung des Masser zu grinsen; auch Onkel Mingos Lachen klang hohl. Zugleich packte ihn die Angst: Der Masser wußte also, daß er sich nachts fortschlich. Was würde er jetzt wohl mit ihm machen?
    Der Masser ließ George Zeit, sich auf einen Wutausbruch vorzubereiten, sagte dann aber geradezu unglaublich verständnisvoll: »Teufel noch mal, warum eigentlich nicht? Solange du deine Arbeit machst, hab deinen Spaß mit den Weibern! Sieh nur zu, daß dich so ’n alter Hirsch nicht in Stücke schneidet, und laß dich nicht auf der Straße erwischen, wo die Patrouillen anderer Leute Nigger abknallen.«
    »Nein, Sörr! Bestimmt nicht!« George war so verwirrt, daß er nicht wußte, was er sagen sollte.
    Masser Lea bestieg sein Pferd, und nur das Zucken seiner Schultern verriet seinen beiden Sklaven, daß er sich vor Lachen schüttelte.
    Den Rest des Tages ertrug George wohl oder übel Onkel Mingos frostiges Verhalten. Abends, allein in seiner Hütte, konnte er endlich seiner Empörung über Charity freien Lauf lassen. George wünschte ihr alles Böse und gelobte sich, seine Gunst – deren sie offensichtlich nicht würdig war – fortan einzig der

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