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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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rasend mit den Beinen, daß die Augen der Zuschauer kaum folgen konnten. Endlose Minuten lang schlug George das Herz im Hals, während die Vögel pickten, auswichen, angriffen und flügelschlagend im Ring umhersprangen. George wußte, daß der Blutverlust seinen Hahn schwächte, wenn er auch die Angriffe des gesprenkelten Grauen immer noch parierte und erwiderte. Doch dann blitzte plötzlich ein Sporn auf, und alles war vorüber. Georges Vogel lag zuckend und flatternd im Todeskampf. Er hörte kaum das Schreien und Fluchen der Wetter, als er seinen sterbenden Hahn vom Boden aufhob. Tränen stürzten ihm aus den Augen. Er drängte sich durch die staunende, glotzende Menge, wurde aber von Onkel Mingo derb am Ellbogen gepackt und beiseite gezerrt, wo niemand sie hören konnte.
    »Du stellst dich an wie ’ne dumme Gans!« schnauzte er. »Hol den andern Vogel für den nächsten Kampf!«
    »Ich taug nicht dazu, Onkel Mingo! Massers Vogel ist tot, und es ist meine Schuld!«
    Mingo starrte ihn ungläubig an. » Ein Vogel muß immer verlieren! Verliert der Masser etwa nie? Komm sofort zurück!« Aber weder Drängen noch Drohungen konnten den Jungen umstimmen, und schließlich gab er es auf. »Na schön! Ich fahr nicht heim und sag, daß wir vor lauter Angst nicht versucht haben, sein Geld zurückzugewinnen!«
    Zornig kehrte Mingo in die Menge am Ring zurück. George war tief gedemütigt. Zum Glück achtete niemand auf ihn. Nach zwei weiteren Kämpfen rief der Schiedsrichter: »Tom Leas Nigger!« Tief beschämt hörte er Mingo zehn Dollar setzen, bevor der alte Mann mit dem zweiten Lockhahn in den Ring stieg. In weniger als zwei Minuten hatte der Vogel seinen Gegner getötet.
    Onkel Mingos Versuche, George auf dem Rückweg zu trösten, blieben ohne Erfolg. »Wir haben zwei Dollar verdient, und du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.«
    »Ich schäm mich so … Und der Masser will bestimmt nicht, daß ich noch mehr von seinen Vögeln verliere …«
    Daß der Junge sich geschlagen geben wollte, noch bevor er richtig angefangen hatte, brachte Mingo ganz aus der Fassung. Nachdem George drei Tage lang Trübsal geblasen und getan hatte, als wünschte er sich nichts sehnlicher, als mit Haut und Haaren im Boden zu versinken, sprach der alte Mann mit Masser Lea darüber. »Ihr müßt mal mit dem Jungen reden, Masser. Er denkt, die Welt geht unter, weil er einen Kampf verliert.« Der Masser stellte George denn auch zur Rede: »Was hör ich da? Du kannst keinen Kampf verlieren?«
    »Mir ist ganz schlimm zumute, Masser. Euer Vogel ist tot, und es ist meine Schuld.«
    »Ich hab noch zwanzig Hähne, und die sollst du alle kämpfen lassen!«
    »Jasörr.« Nicht einmal Masser Leas Zuspruch vermochte George ganz zu beruhigen.
    Als er beim folgenden Kampf mit beiden Vögeln gewann, da gebärdete er sich allerdings selber wie ein Gockel, er krähte und stolzierte daher wie die siegreichen Hähne. Als er die Gewinne kassiert hatte, nahm Onkel Mingo ihn beiseite: »Blas dich nicht so auf, kannst auch wieder verlieren.«
    »Laß mich das Geld mal anfassen, Onkel Mingo!« rief George und hielt die Hand auf. Mingo betrachtete das Häufchen zerknitterter Ein-Dollar-Noten und Münzen und sagte lachend: »Bring du das Geld dem Masser. Das tut euch beiden gut!«
    Auf dem Heimweg versuchte George zum hundertstenmal, Onkel Mingo dazu zu überreden, doch endlich ins Sklavenquartier zu kommen und seine Mammy, Miss Malizy, Schwester Sarah und Onkel Pompey kennenzulernen. »Der Masser hat bloß sechs Nigger, Onkel Mingo, die müssen sich doch kennen. Alle wollen gern deine Freunde sein. Ich rede immerzu von dir, wenn ich oben bin, und alle glauben, du hast was gegen sie.«
    »Wie kann ich was gegen Leute haben, die ich nicht kenne«, antwortete Mingo. »Alles soll bleiben, wie es ist, die brauchen sich nicht um mich zu kümmern und ich mich nicht um sie.« Daheim angekommen, schlug Onkel Mingo wieder den Weg ein, der in weitem Bogen um das Sklavenquartier herumführte.
    Kizzy fielen die Augen bald heraus, als sie die Scheine und Münzen in Georges Hand sah. »Wo hast du das bloß her, Junge?« fragte sie und rief Schwester Sarah herbei; die sollte es auch sehen.
    »Wieviel ist das überhaupt?« fragte Sarah.
    »Weiß nicht, Ma’am, aber wo das herkommt, gibt’s noch viel mehr davon.«
    Schwester Sarah schleppte ihn zu Onkel Pompey, um auch ihm den Schatz zu zeigen.
    »Ich sollt mir wohl auch ’n Hahn zulegen«, meinte der Alte. »Aber hör mal,

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