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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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ließen, daß es freie Schwarze waren. Als sein Blick auf etwa ebenso viele arme Weiße auf der anderen Seite des Kampfplatzes fiel, stellte er überrascht fest, daß er auch von ihnen einige kannte, und stolz hörte er sie sagen: »Das sind die beiden Nigger von Tom Lea!« Bald gingen die Hahnenhalter, Schwarze wie Weiße, daran, die krähenden, gluckenden Hähne aus den Säcken zu holen und ihnen die Gelenke zu lockern; Onkel Mingo redete unterdessen mit dem untersetzten Schiedsrichter, der einen Blick auf George warf und zustimmend nickte.
    Der Junge massierte eifrig sein Hähnchen, und Mingo nahm sich den anderen Vogel vor. Weil die Schwarzen von den armen Weißen für gewöhnlich nur das Schlimmste zu gewärtigen hatten, fühlte George sich in ihrer Nähe recht unbehaglich, doch rief er sich ins Gedächtnis, was Onkel Mingo ihm unterwegs gesagt hatte, daß nämlich Hahnenkämpfe das einzige waren, was arme Weiße und Schwarze miteinander gemeinsam hatten. Die Regel war, daß immer nur zwei Weiße oder zwei Schwarze ihre Vögel gegeneinander kämpfen ließen, aber es stand allen frei, Wetten auf jeden beliebigen Vogel abzuschließen.
    Nachdem George seinen Vogel gut massiert, gelenkig gemacht und wieder in den Sack gesetzt hatte, schaute er sich um. Unterdessen waren noch mehr Hahnenhalter eingetroffen, und der Lärm hatte beträchtlich zugenommen.
    Endlich hob der Schiedsrichter den Arm: »Herhören, Leute! Wir fangen jetzt an! Jim Carter! Ben Spence! Kommt her und legt euren Hähnen die Sporen an!« Zwei hagere, zerlumpte Weiße traten vor, wogen ihre Hähne und banden ihnen die stählernen Sporen an; da und dort wurden erste Wetten abgeschlossen. Verglichen mit den beiden Ausschußhähnchen aus der Masser-Zucht wirkten die beiden Kampfhähne recht mittelmäßig.
    Auf den Ruf »Pit!« flatterten beide Vögel auf und fielen gleich wieder zu Boden. Flügelschlagend und fintierend kämpften sie, wie es George schien, auf herkömmliche Weise und ohne jene dramatischen Steigerungen, die er immer beobachtete, wenn er mit dem Masser und Onkel Mingo an großen Kämpfen teilnahm. Als schließlich der eine Vogel den anderen mit den Sporen am Hals verwundete, vergingen noch Minuten bis zum Ende, während ein erstklassiger Vogel seinen Gegner in Sekunden erledigt haben würde. Der Besitzer des toten Vogels bejammerte laut seine Niederlage und schlich sich davon. Auch beim zweiten und dritten Kampf zeigten weder die siegreichen noch die geschlagenen Vögel jenes Feuer und jenen Kampfstil, den George zu sehen gewohnt war, seine Nervosität ließ im Verlauf des vierten Kampfes nach, und er sah seinem Auftreten auf dem Kampfplatz geradezu sorglos entgegen. Doch als er an die Reihe kam, pochte sein Herz gewaltig.
    »Aufgepaßt, Leute! Mr. Roames’ Nigger mit einem gesprenkelten Grauen gegen Mr. Leas Nigger mit einem Roten! Legt ihnen die Sporen an!« George hatte seinen stämmigen schwarzen Gegner schon erkannt, als er gekommen war. Bei den großen Kämpfen in den vergangenen Jahren hatten sie gelegentlich miteinander gesprochen. Unter Onkel Mingos Blicken ließ George seinen Hahn wiegen. Er kniete nieder, holte aus seiner Hosentasche die in ein Tuch gewickelten Sporen, und als er sie dem Vogel anlegte, erinnerte er sich Mingos mahnender Worte: »Nicht zu lose, sonst rutschen sie während des Kampfes, aber auch nicht zu fest, sonst werden die Beine steif und taub.« Hoffentlich machte er es richtig! Ringsum hörte er rufen: »Fünfzig Cents auf den Roten!« … »Nehm ich!« … »Vier Dollar auf den Roten!« Das war Onkel Mingo, der den höchsten Einsatz ansagte und damit Gegenwetten provozierte. George fühlte, wie die Erregung der Menge ihn mit sich fortriß. »Fertig!« George kniete und hielt den Hahn am Boden fest. Er spürte, daß das Tier darauf brannte, den Kampf aufzunehmen. »Pit!«
    Er hatte vergessen, dem Schiedsrichter auf die Lippen zu schauen. Als er die Arme hochwarf, befand sich der andere Vogel bereits in flirrender Bewegung. Zurückweichend mußte George entsetzt mit ansehen, wie sein Vogel beim ersten Anprall aus dem Gleichgewicht geworfen wurde und mehrere Sporenhiebe in die rechte Seite hinnehmen mußte. Er taumelte, erholte sich aber wieder und ging, obwohl Blut seine Federn verdunkelte, zum Angriff über. Beide Vögel flatterten auf, Georges Vogel stieg höher, verfehlte aber im Niedersinken mit den Sporen sein Ziel. Fintierend stiegen sie abermals auf, diesmal gleich hoch, und beide strampelten so

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