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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Masser?«
    Masser Lea lachte. »Mir war auch schon oft zum Weinen, wenn ich höher gesetzt hatte, als ich sollte, und ein Sporn meinen Vogel erwischte. Aber es stimmt schon, ich hab noch nie gehört, daß einer so ein Getue macht. Ich glaube, er hängt zu sehr an den Hühnern.«
    Bald darauf, beim größten »Hauptturnier« des Jahres, wurde der Masser, als er den Vogel zum Wagen brachte, der eben den letzten Kampf des Tages gewonnen hatte, angerufen: »Oh, Mr. Lea!« Er drehte sich um und sah erstaunt den Aristokraten unter den Hahnenkämpfern, Mr. George Jewett, lächelnd auf sich zukommen.
    Er begrüßte ihn, so lässig er konnte: »Sieh da, Mr. Jewett!«
    Sie gaben einander die Hände. »Mr. Lea, ich will ganz offen zu Euch sein, als ein Gentleman und Hahnenkämpfer zum andern. Ich hab kürzlich meinen Heger verloren. Die Straßenpatrouille hat ihn vergangene Nacht angehalten, und er hatte keine Papiere bei sich. Bedauerlicherweise versuchte er wegzulaufen, wurde angeschossen und schwer verletzt. Es ist nicht anzunehmen, daß er durchkommt.«
    »Tut mir leid … Für Euch, meine ich, nicht für den Nigger.« Masser Lea ärgerte sich über seine Ungeschicklichkeit. Er ahnte schon, was kommen würde. Der feine Herr wollte Mingo haben.
    »Versteht sich. Ich brauche also einen Heger, einen, der wenigstens ein bißchen was von Vögeln versteht …« Er unterbrach sich. »Mir ist aufgefallen, daß Ihr zwei habt. Es käme mir natürlich nicht in den Sinn, Euch um den erfahrenen Älteren zu bitten, aber ich könnte mir denken, daß Ihr ein gutes Angebot für den anderen, den Jüngeren, in Erwägung ziehen würdet, der, wie ich höre, eine von meinen schwarzen Schönheiten hofiert …«
    In Masser Leas Verblüffung mischte sich Wut über diesen Beweis von Hühner-Georges Treubruch. »Ich verstehe«, sagte er heiter. Mr. Jewett lächelte, er wußte, Lea war an einer empfindlichen Stelle getroffen. »Ich will nicht mit Euch feilschen. Wärt Ihr mit dreitausend einverstanden?«
    Masser Lea traute seinen Ohren nicht. Trotzdem lehnte er kühl ab. »Tut mir leid, Mr. Jewett.« Daß er einem aus der Aristokratie der alten Plantagenbesitzer etwas verweigern konnte, tat ihm wohl.
    »Also schön.« Jewetts Stimme klang gereizt: »Mein letztes Angebot: vier!«
    »Ich verkaufe meine Heger nicht, Mr. Jewett.«
    Der reiche Mann zog die Mundwinkel herab, und seine Augen blickten kalt. »Wie Ihr wollt! Guten Tag, Sir!«
    »Guten Tag, Sir«, erwiderte Masser Lea, und die Herren entfernten sich in entgegengesetzter Richtung.
    Der Masser eilte zum Wagen, ganz unverkennbar wütend. Onkel Mingo und Hühner-George setzten ausdruckslose Gesichter auf, als sie ihn kommen sahen. Mit drohend erhobener Faust fauchte er George an: »Ich schlag dir den Schädel ein! Was, zum Teufel, hast du drüben bei Jewett zu suchen? Erzählst du ihm vielleicht, wie wir unsere Hühner abrichten?«
    Hühner-George wurde aschgrau. »Ich hab Masser Jewett nie nichts erzählt, Masser …« Die Stimme drohte ihm zu versagen. »Hab nie auch nur ein Wort mit ihm gesprochen, niemals, Masser!« Georges aufrichtige Überraschung und sein Schreck hatten den Masser schon halb überzeugt. »Willst du mir vielleicht einreden, du läufst so weit bloß wegen deiner schwarzen Mieze da?« Einerlei aus welchem Grund George die Plantage von Jewett betrat, er konnte dort jederzeit dem reichen Züchter in die Arme laufen, und die Folgen waren nicht abzusehen.
    »’schuldigung, Masser …«
    Ein Wagen rollte vorüber, man winkte und rief. Masser Lea rang sich ein Lächeln ab, er winkte zurück, kletterte auf den Kutschbock und zischte dem verdatterten Onkel Mingo aus dem Mundwinkel zu: »Fahr los, verdammt noch mal!«
    Auf der schier endlosen Heimfahrt herrschte eine ausgesprochen üble Stimmung, und zwischen Onkel Mingo und Hühner-George war ebenfalls eine schwere Verstimmung eingetreten. In dieser Nacht lag ein vor Angst schwitzender George schlaflos auf seiner Pritsche und überlegte krampfhaft, welche Strafe er zu erwarten hatte.
    Aber es geschah nichts, vielmehr sagte der Masser wenige Tage später, so als ob nichts geschehen wäre, zu Onkel Mingo: »Ich bin für nächste Woche zu einem Hahnenkampf eingeladen, drüben in Virginia, gleich jenseits der Grenze. Die lange Fahrt würde deinem Husten nicht guttun. Ich werde also nur den Jungen mitnehmen.«
    »Jasörr, Masser.«
    Onkel Mingo wußte seit langem, daß dieser Tag kommen würde; der Junge sollte ihn ersetzen, darum hatte

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