Wurzeln
hatte es so oft erzählt –, stopften sie sich mit Essen und Trinken voll, aber kaum war er außer Hörweite, machten sie sich über ihn lustig und sprachen von ihm, als ob er der letzte Dreck wäre.
»Jeder von ihnen hätte erreichen können, was ich erreicht habe!« rief Masser Lea. »Aber sie hatten einfach nicht das Zeug dazu. Der Teufel soll sie holen!« Er verstummte – aber nicht für lange.
»Es geht mir ja nicht grade schlecht. Ich hab, was ich brauche: ein anständiges Dach überm Kopf, meine hundert oder so Kampfhähne, fünfundzwanzig Morgen Land, davon die Hälfte bebaut, dazu Pferde, Maultiere, Kühe und Schweine. Und ich hab ein paar faule Nigger.«
»Jasörr«, sagte Hühner-George und dachte, es sei nun an der Zeit, ein anderes Thema anzuschneiden. »Aber wir Nigger arbeiten auch schwer für Euch, Masser. Meine Mammy und Miss Malizy und Schwester Sarah und Onkel Pompey sind doch immer auf den Feldern.« Und bevor der Masser antworten konnte, fügte er etwas hinzu, das er Schwester Sarah bei seinem letzten Besuch im Sklavenquartier am vergangenen Sonntag hatte sagen hören: »Außer meiner Mammy hat doch jeder von ihnen über fünfzig Jahre auf dem Buckel …« Hier brach er ab und unterließ es, Schwester Sarahs Schlußfolgerung wiederzugeben, wonach der Masser einfach zu geizig sei, ein paar jüngere Sklaven zu kaufen, und offenbar die, die er hatte, so lange arbeiten lassen würde, bis sie tot umfielen.
»Du hast überhaupt nicht gehört, was ich eben erzählt habe! Keiner von meinen Niggern hat jemals so hart gearbeitet wie ich. Also erzähl mir nicht, wie fleißig ihr Nigger arbeitet!«
»Jasörr.«
»Jasörr, was?«
»Einfach so. Ihr arbeitet auch schwer, Masser.«
»Stimmt genau! Glaubst du vielleicht, es ist so einfach, für alles und jedes die Verantwortung zu tragen? Meinst du, es ist leicht, die große Hühnerzucht zu unterhalten?«
»Nein, Sörr, ich weiß schon, daß das schwer ist.« George dachte an Onkel Mingo, der seit dreißig Jahren tagein, tagaus die Kampfhähne betreute. Davon, daß George ihm nun schon sieben Jahre dabei half, ganz zu schweigen. In der Absicht, dem Masser unter die Nase zu reiben, wie viele Jahrzehnte Onkel Mingo seinen Dienst schon versah, fragte er gespielt arglos: »Wie alt ist Mingo eigentlich, Masser?«
Der rieb sich nachdenklich das Kinn. »Verflixt, das weiß ich wirklich nicht. Mal sehn. Ich hab mir mal ausgerechnet, daß er fünfzehn Jahre älter ist als ich … also müßte er so Anfang Sechzig sein. Und wird jeden Tag älter. Sieht so aus, als würde er auch mit jedem Jahr kränker. Was meinst du? Du siehst ihn doch täglich.«
Hühner-George dachte an Onkel Mingos letzten Anfall, den schlimmsten, den er bisher erlitten hatte. Er erinnerte sich, wie Miss Malizy und Schwester Sarah oft behauptet hatten, der Masser betrachte die Krankheiten seiner Nigger als reine Drückebergerei.
»Meistens sieht er ja ganz gesund aus«, antwortete er schließlich, »aber sein Husten ist manchmal sehr schlimm – so schlimm, daß es mir Angst macht, weil er ja wie ein Daddy zu mir ist.«
Zu spät bereute er seine Worte und spürte denn auch gleich eine feindselige Reaktion. Ein Schlagloch in der Straße brachte die Kampfhähne wieder zum Glucken. Eine Weile herrschte Schweigen, dann fragte ihn der Masser: »Was hat denn Mingo so viel für dich getan? Hat er dich etwa vom Feld geholt und dir eine eigene Hütte gegeben?«
»Nein, Sörr, das habt alles Ihr getan.«
Eine Weile fuhren sie schweigend, dann setzte der Masser das Gespräch fort. »Ich bin selber überrascht, aber was du da vorhin gesagt hast, stimmt schon, ich hab wirklich eine Sammlung alter Nigger. Jeden Tag kann mir einer zusammenbrechen – der Teufel soll sie holen! Nigger kosten ja heute ein Vermögen, aber ich werde wohl einen oder zwei junge Feldarbeiter kaufen müssen.« Fast vertraulich fügte er hinzu: »Verstehst du jetzt, wovon ich rede? Um was ich mich alles kümmern muß?«
»Jasörr, Masser.«
»›Jasörr, Masser!‹ Das ist eure Antwort auf alles.«
»Ein Nigger darf doch nicht widersprechen, Masser.«
»Fällt dir denn nichts anderes ein als das ewige ›Jasörr‹?«
»Nein, Sörr. Vielmehr … ich meine, wenigstens habt Ihr genug Geld, um Nigger zu kaufen. In diesem Jahr seid Ihr bei den Hahnenkämpfen gut weggekommen.« Hühner-George wollte das Gespräch unbedingt auf ein unverfängliches Thema bringen. Darum fragte er anscheinend arglos: »Gibt es eigentlich auch
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