Wurzeln
einen drohenden Zeigefinger auf seinen Kutscher: »Sobald du übern Besen gehopst bist, nehm ich dir den Passierschein weg. Muß doch deiner, wie heißt sie gleich, deiner Matilda dabei helfen, daß du nicht länger rumschwänzelst!«
Hühner-George fand keine Worte.
Kapitel 94
Als an Hühner-Georges Hochzeitstag im August 1827 die Sonne aufging, nagelte der Bräutigam in aller Eile eiserne Angeln an den Türstock seiner noch unfertigen, aus zwei Kammern bestehenden Hütte. Dann trottete er zur Scheune hinüber, kam mit der Tür zurück, die Onkel Pompey getischlert und mit dem Saft zerstoßener Walnußschalen gebeizt hatte, und setzte sie ein. Nach einem besorgten Blick auf die aufsteigende Sonne ging er daran, das Wurstbrot hinunterzuschlingen, das seine Mammy ihm noch am Abend förmlich hingeschmissen hatte; so wütend war sie über die Aufeinanderfolge von Ausflüchten, Verschiebungen, Entschuldigungen und Ausfahrten gewesen. Er hatte alles so lange verzögert und so langsam gearbeitet, daß sie schließlich allen untersagte, ihm zu helfen oder ihn auch nur aufzumuntern und anzutreiben.
Als nächstes füllte er ein großes Faß mit gelöschtem Kalk und Wasser und rührte kräftig um. Sodann tauchte er eine große Bürste in das Gemisch und strich die Tünche auf die roh gezimmerten Bretter. Es war fast zehn Uhr, als er, nicht viel weniger geweißt als die Hütte, endlich zurücktrat, um sein Werk zu betrachten. Zeit blieb ihm genug. Er brauchte nur noch zu baden und auf den Wagen zu steigen, der ihn in zwei Stunden zur Plantage der MacGregors bringen würde, wo die Hochzeit um ein Uhr stattfinden sollte.
Zwischen Hütte und Brunnen hin und her springend, schüttete er drei Eimer voll Wasser in die neue verzinkte Wanne im vorderen Raum der Hütte. Vor sich hin summend, schrubbte er sich gründlich, trocknete sich schnell ab, wickelte sich in das große Handtuch aus gebleichtem Sackleinen und lief in die Schlafkammer. Nachdem er in seine langen Baumwollunterhosen gestiegen war, schlüpfte er in ein blaues, mit steifer Hemdbrust versehenes Hemd, rote Socken, gelbe Hosen, gelbe Gürteljacke und schließlich in nagelneue, hellorangefarbene Schuhe – alles Stück um Stück in den letzten Monaten aus den Gewinnen bei Hahnenkämpfen in verschiedenen Städten von Nord-Carolina erworben. In knarrenden, steifen Schuhen trat er aus der Schlafkammer und setzte sich auf Onkel Mingos Hochzeitsgeschenk, einen geschnitzten Stuhl mit geflochtenem Sitz. Breit grinsend betrachtete er sich in dem langstieligen Handspiegel, einem der Geschenke, mit welchen er Matilda überraschen wollte. Vor dem Spiegel legte er den grünen Wollschal um, den Matilda für ihn gestrickt hatte. Sah gut aus, das mußte man zugeben. Jetzt blieb nur noch das Tüpfelchen auf dem I. Er holte eine runde Pappschachtel unter dem Bett hervor, nahm den Deckel ab und hob fast ehrfurchtsvoll den schwarzen Derby heraus – Masser Leas Hochzeitsgeschenk. Während er ihn auf steifen Fingern langsam herumdrehte, genoß er die modische Form mit fast sinnlichem Vergnügen, bevor er, abermals unter Zuhilfenahme des Spiegels, den Hut in just dem richtigen kessen Winkel in die Stirn drückte.
»Komm endlich raus da! Wir sitzen schon ’ne Stunde auf dem Wagen!« Mammy Kizzys Ton war deutlich anzuhören, daß ihr Zorn sich noch nicht gelegt hatte.
»Ich komm schon, Mammy!« rief er zurück.
Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel steckte er ein Fläschchen »Weißer Blitz« in die Innentasche seiner Jacke und trat aus seiner neuen Hütte, als ob er Applaus erwarte. Eigentlich wollte er strahlend lächeln und seinen Hut lüften, doch unterließ er es, als er der erbitterten, finsteren Blicke seiner Mammy, Miss Malizys, Schwester Sarahs und Onkel Pompeys gewahr wurde, die alle steif in ihrem Sonntagsstaat auf dem Wagen saßen. Forsch vor sich hin pfeifend und den mißbilligenden Blicken ausweichend, kletterte er auf den Bock, wobei er sorgsam auf seine Bügelfalten achtete, ließ die Zügel auf die Kruppe der beiden Maultiere klatschen, und schon fuhren sie los – mit nur einer Stunde Verspätung.
Auf der Fahrt genehmigte sich Hühner-George mehrere stärkende Schlückchen aus seiner Flasche, und kurz nach zwei traf der Wagen auf der Plantage MacGregors ein. Kizzy, Schwester Sarah und Miss Malizy stiegen ab und entschuldigten sich vielmals bei der sichtbar verstimmten und beunruhigten Matilda in ihrem weißen Kleid. Onkel Pompey lud die Körbe mit Speisen
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