Wurzeln
ab, die sie mitgebracht hatten, und nach einem Küßchen auf Matildas Wange stolzierte Hühner-George großspurig umher und machte sich mit den Gästen bekannt, indem er ihnen auf den Rücken klopfte und ihnen Fusel ins Gesicht blies. Von jenen abgesehen, die er schon kannte und die in Matildas Sklavenquartier wohnten, waren es meist fromme Sklaven von zwei angrenzenden Plantagen, die sie zu ihrer Hochzeit hatte einladen dürfen. Sie sollten ihren Zukünftigen kennenlernen, wie es auch der Wunsch ihrer Freunde war, den jungen Mann in Augenschein zu nehmen. Obzwar sie schon viel von ihm gehört hatten – übrigens nicht nur von Matilda –, rief seine Erscheinung einiges Erstaunen hervor. Zwar stolzierte er wie ein Gockel zwischen den Hochzeitsgästen umher, machte aber einen weiten Bogen um Kizzy, Schwester Sarah und Miss Malizy. Diese hörten überall Zweifel äußern, ob der junge Mann denn wirklich eine gute Partie für Matilda sei, und wurden immer gereizter. Onkel Pompey hatte es vorgezogen, sich unter die Gäste zu mischen und so zu tun, als wüßte er nicht, wer der Bräutigam war.
Endlich kam der weiße Pfarrer aus dem Herrenhaus, gefolgt von Masser und Missis MacGregor und Masser und Missis Lea. Sie blieben im Hof; der Pfarrer trug seine Bibel wie einen Schild vor sich her, und die jäh verstummende Menge der Schwarzen stellte sich steif und in respektvoller Entfernung auf. Missis MacGregor hatte angeordnet, daß die Hochzeit einen Teil der bei weißen Christen üblichen Zeremonie und das nachfolgende Besenspringen in sich vereinigen sollte. Ihren nun schon wieder ein wenig ernüchterten Bräutigam an einem gelben Ärmel nachziehend, machte Matilda mit ihm vor dem Priester halt, der sich räusperte und ein paar feierliche Stellen aus seiner Bibel vorlas. Dann fragte er: »Matilda und George, schwört ihr feierlich, euch für den Rest eures Lebens in Glück und Unglück anzugehören?«
»Ich schwör’s«, sagte Matilda leise.
»Jasörr!« rief Hühner-George viel zu laut.
Der Pfarrer zuckte zusammen, faßte sich wieder und sagte: »Ich erkläre euch für Mann und Frau.«
Unter den schwarzen Gästen hörte man einige schluchzen.
»Jetzt darfst du die Braut küssen!«
Hühner-George packte Matilda, nahm sie in die Arme und gab ihr einen weithin hallenden Schmatz. Das darauf folgende Getuschel brachte ihn auf den Gedanken, daß er vielleicht nicht gerade den besten Eindruck machte, und als er Hand in Hand mit ihr über den Besen sprang, zermarterte er sich das Hirn nach einer passenden Bemerkung, einem klugen Ausspruch, der dem Anlaß einige Würde verleihen, seinen Anhang aus dem Sklavenquartier versöhnen und den Rest dieser Bibelfreunde für sich einnehmen würde. Und er fand genau das Richtige.
»Der Herr ist mein Hirte!« verkündete er. »Er hat mir geschenkt, was ich haben wollte.«
Als er die starren, glasigen, empörten Blicke sah, die auf seinen Ausspruch folgten, beschloß er, auf weitere Versuche, sich beliebt zu machen, zu verzichten, und nahm die erste Gelegenheit wahr, die Flasche aus der Tasche zu holen und sie zu leeren. Vom Rest der Festivitäten – Hochzeitsfeier und Empfang – blieben ihm nur nebelhafte Erinnerungen, und es war Onkel Pompey, der den Wagen im Licht der untergehenden Sonne heimwärts kutschierte. Mammy Kizzy, Miss Malizy und Schwester Sarah warfen grimmig und gekränkt empörte Blicke auf den hinteren Teil des Wagens. Den Kopf im Schoß seiner in Tränen aufgelösten Braut, mit verrutschtem Schal, das Gesicht unter dem schwarzen Derby verborgen, schnarchte laut und pfeifend der Bräutigam.
Hühner-George schrak auf, als der Wagen mit einem Ruck vor seiner neuen Hütte zum Stehen kam. Er hatte das dumpfe Gefühl, daß er alle Welt um Verzeihung bitten sollte, und das versuchte er auch, aber wie Pistolenschüsse knallten die Türen dreier Hütten zu. Eine letzte elegante Geste aber wollte er sich nicht nehmen lassen. Er hob seine Braut vom Wagen, stieß mit dem Fuß die Tür auf und trug sie, ohne Schaden zu nehmen, über die Schwelle – stolperte jedoch über die Wanne voll Badewasser, die immer noch im Zimmer stand. Dies war die äußerste Demütigung, doch war alles vergessen und verziehen, als Matilda mit einem Freudenschrei ihr schönstes Hochzeitsgeschenk erblickte; die prächtige polierte Standuhr, fast so groß wie sie selbst, die man nur alle Tage aufzuziehen brauchte und die George mit dem Rest seiner Ersparnisse in Greensboro gekauft und mit dem Wagen
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