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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Großvater erzählt?«
    »Nein, Mam, hat er nicht.«
    Matilda schaute erstaunt drein.
    »Hat er nicht?«
    Matilda sah, daß die ältere Frau enttäuscht war, und fügte rasch hinzu: »Er hat wohl einfach noch keine Zeit dazu gehabt, Mammy Kizzy.«
    Kizzy beschloß, es lieber selbst zu tun, da sie sich ohnehin besser als er daran erinnerte, und also erzählte sie Matilda von ihrem sechzehnjährigen Leben bei Masser Waller, bis zu dem Zeitpunkt, als sie an Masser Lea verkauft wurde, und von dem, was sie über ihren afrikanischen Pappy gehört und was er ihr erzählt hatte. »Tilda, warum erzähl ich dir das alles? Will ja nur, daß du verstehst, daß das Kind in deinem Bauch und alle andern, die noch nachkommen, über ihn Bescheid wissen sollen, weil er doch ihr Urgroßpapa ist.«
    »Sicher versteh ich das, Mammy Kizzy«, sagte Matilda, und daraufhin erzählte ihr die Schwiegermutter noch mehr von ihren Erinnerungen, und die beiden Frauen spürten, wie sie einander im Laufe dieses Abends immer näherkamen.
    Hühner-Georges und Matildas kleiner Junge wurde im Frühjahr 1828 geboren. Schwester Sarah fungierte als Hebamme, und eine sehr nervöse Kizzy half ihr dabei. Die Freude über ihr Enkelkind dämpfte schließlich sogar ihren Ärger darüber, daß der Vater des Babys wieder einmal für eine Woche mit Masser Lea unterwegs war. Am folgenden Abend, als die junge Mutter sich wohl genug fühlte, versammelten sich alle Bewohner des Sklavenquartiers in der Hütte, um die Geburt des zweiten Kindes auf der Lea-Pflanzung zu feiern.
    »Jetzt bist du endlich ›Großmutter Kizzy‹!« sagte Matilda, die im Bett gegen Kissen gelehnt saß, das Baby in den Armen wiegte und ihren Besuchern matt entgegenlächelte.
    »Jesses, ja! Klingt das nicht schön?« rief Kizzy, und ihr ganzes Gesicht erstrahlte in einem glücklichen Lächeln.
    »Klingt eher, als ob Kizzy alt wird, find ich«, sagte Onkel Pompey verschmitzt.
    »Pah! Hier ist keine Frau so alt wie gewisse Leute, die ich kenne«, brummte Schwester Sarah.
    Schließlich entschied Miss Malizy: »So. Ist Zeit jetzt, daß wir gehn und sie in Ruhe lassen.« Und das taten sie alle außer Kizzy.
    Matilda saß eine Weile versonnen da, und dann sagte sie: »Mam, ich hab drüber nachgedacht, was du mir von deinem Pappy erzählt hast. Da ich meinen nie gesehn hab, würd es George wohl nichts ausmachen, wenn das Kind nach meinem Pappy genannt würde. Er hieß Virgil, hat meine Mammy gesagt.«
    Der Name fand sogleich Hühner-Georges herzliche Zustimmung, als er sich bei seiner Rückkehr über die Geburt seines Sohnes vor Freude kaum zu lassen wußte. Seinen schwarzen Hut schief auf dem Kopf, schwenkte er das Baby mit seinen großen Händen in die Höhe und rief: »Mammy, erinnerst du dich, was ich dir gesagt hab, daß ich meinen Kindern erzählen werde, was du mir erzählt hast?« Mit leuchtendem Gesicht setzte er sich feierlich, Virgil aufrecht in seinem Schoß haltend, vor den Kamin und sprach in gewichtigem Ton zu ihm: »Hör mal her, Junge! Werd dir mal von deinem Urgroßvater erzählen. Er war ein Afrikaner und sagte, er heißt ›Kunta Kinte‹. Er nannte eine Gitarre ein ›ko‹ und einen Fluß ›Kamby Bolongo‹ und noch viele andre Sachen mit afrikanischen Namen. Erzählte, daß er einen Baum fällen wollte, um seinem kleinen Bruder ’ne Trommel zu machen, als vier Männer kamen und ihn von hinten packten. Dann brachte ihn ein großes Schiff übers große Wasser an einen Ort, der Naplis heißt. Und viermal ist er weggerannt, und er hat versucht, die Kerle umzubringen, die ihn geschnappt hatten, aber die haben ihm den halben Fuß abgehackt.« Er hob das Kind und schaute Kizzy an. »Und dann ist er übern Besen gesprungen mit der Köchin vom großen Haus, und das war Miss Bell, und dann kriegten sie so ’n kleines Mädchen – und da sitzt es ja, deine Oma da, die dich jetzt anlacht!« Matilda strahlte ihn zustimmend an, und Kizzys Augen waren feucht vor Liebe und Stolz.
    Da ihr Mann so oft fort war, begann Matilda die Abende immer öfter mit Großmutter Kizzy zu verbringen, und nach einer Weile teilten sie auch ihre Lebensmittel miteinander und aßen gemeinsam. Matilda sprach stets das Tischgebet, während Kizzy mit gefalteten Händen und geneigtem Kopf still dasaß. Danach versorgte Matilda das Baby, und später saß Kizzy stolz mit dem an sie geschmiegten kleinen Virgil, wiegte ihn und summte oder sang ihm leise zu, während die Wanduhr tickte und Matilda in ihrer abgegriffenen

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