Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
den weiten Weg hierhertransportiert hatte.
    Trübäugig saß er auf dem Boden, wo er hingefallen war, und das Badewasser lief über seine nagelneuen, orangeroten Schuhe. Matilda ging auf ihn zu und hielt ihm eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen.
    »Komm jetzt, George, ich steck dich ins Bett.«

Kapitel 95
    Bis zum Tagesanbruch war Hühner-George auf der Straße zu seinen Kampfhähnen zurückgekehrt. Und dann – es war etwa eine Stunde nach dem Frühstück – hörte Miss Malizy, wie jemand sie beim Namen rief. Sie ging an die Küchentür und sah dort zu ihrer Überraschung die junge Braut, begrüßte sie und bat sie ins Haus.
    »Nein danke«, sagte Matilda. »Ich wollt bloß fragen, wo das Feld ist, wo sie heute arbeiten, und wo ich eine Hacke herkriege.«
    Einige Minuten später erschien Matilda und schloß sich Kizzy, Schwester Sarah und Onkel Pompey bei der Feldarbeit an. Am späten Abend versammelten sie sich alle im Sklavenquartier um sie und leisteten ihr Gesellschaft, bis ihr Mann heimkam. Im Laufe der Unterhaltung fragte Matilda, ob man im Sklavenquartier regelmäßige Gebetsstunden abhalte, und als man ihr sagte, daß es keine gebe, schlug sie vor, sonntags nachmittags eine einzuführen.
    »Ich sag dir, wie’s ist, es ist ’ne Schande, aber ich hab nicht halb soviel gebetet, wie ich sollte«, sagte Kizzy.
    »Ich auch nicht«, gestand Schwester Sarah.
    »Mir kommt’s so vor, als ob alles Beten die Weißen auch nicht ändern tut«, sagte Onkel Pompey.
    »In der Bibel steht, daß Joseph als Sklave an die Ägypter verkauft wurde, aber der Herr stand Joseph bei, und der Herr segnete das Haus des Ägypters, um Josephs willen«, sagte Matilda in selbstverständlichem Ton.
    Drei rasch ausgetauschte Blicke bezeugten den wachsenden Respekt der drei für die junge Frau.
    »Der George hat uns erzählt, daß dein erster Masser ein Prediger war«, sagte Schwester Sarah. »Du redest ja selbst wie einer!«
    »Ich bin eine Dienerin des Herrn, das ist alles«, erwiderte Matilda.
    Ihre Gebetsstunden begannen am folgenden Sonntag, zwei Tage nachdem Hühner-George und Masser Lea im Wagen mit zwölf Kampfhähnen abgefahren waren.
    »Der Masser sagt, er hat endlich die richtigen Vögel für die Kämpfe, wo das große Geld drin ist«, hatte er ihr erklärt und gesagt, daß Leas Hähne diesmal an einem wichtigen Hauptkampf in der Nähe von Goldsboro teilnehmen würden.
    Eines Morgens, als sie draußen auf dem Felde waren, sagte Schwester Sarah in dem zärtlich-besorgten Ton einer Siebenundvierzigjährigen, die es mit einer jungen achtzehnjährigen Braut gut meint: »Du lieber Himmel, sieht ja fast so aus, als wenn du dein Eheleben mit den Hühnern da teilen mußt.«
    Matilda blickte sie mit großen Augen an. »Wie ich immer gehört hab und wie ich glaube, ist jedermanns Ehe, was man draus macht. Und ich denke, er weiß wohl, was er aus unsrer machen will.«
    Nachdem sie so ein für allemal ihren Standpunkt über die Ehe kundgetan hatte, war Matilda gern bereit, sich an jedem Gespräch über ihren ungewöhnlichen Ehemann zu beteiligen, ganz gleich, ob es ernst oder spaßhaft war.
    »Dem haben schon die Füße gejuckt, als er noch als Baby auf dem Bauch kroch«, erzählte Kizzy ihr eines Abends, als sie sie in ihrer neuen Hütte besuchte.
    »Ja, Mam«, sagte Matilda, »das hab ich schon rausgefunden, als er mir den Hof machte; redete über nichts als Hahnenkämpfe und wie er und der Masser auf Reisen gingen.« Sie zögerte ein wenig und fügte dann in ihrer offenherzigen Art hinzu: »Aber als er rausfand, daß bei mir kein Mann was erreicht, bevor er nicht mit mir über den Besen springt – Himmel, da war was los bei ihm! War schon richtig drauf gefaßt, ihn nie wiederzusehn. Weiß auch nicht, was ihn gebissen hat, aber dann kam er eines Abends plötzlich angerannt und sagte: ›Komm, heiraten wir!‹«
    »Da kann man ja von Glück sagen, daß er so vernünftig war«, sagte Kizzy. »Aber jetzt hast du ihn, Mädchen, und ich will dir auch gleich sagen, was mir vorschwebt. Ich will ein paar Enkelkinder!«
    »Da ist nichts gegen zu sagen, Miss Kizzy. Ich will nämlich auch ’n paar Kleine, genau wie die andern Frauen.«
    Als Matilda zwei Monate später verkündete, daß sie ein Kind erwarte, war Kizzy außer sich vor Freude. Jetzt würde ihr Sohn Vater werden, und nun dachte sie an ihren Vater – mehr als in vielen Jahren –, und eines Abends, als Hühner-George wieder einmal fort war, fragte sie: »Hat er dir je von seinem

Weitere Kostenlose Bücher