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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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alte Jungfer auf der Pflanzung, wo ich aufgewachsen bin«, sagte Miss Malizy. »Die war auch eine von den lauten Frauen. Sie ist ohne Mann ausgekommen, bis sie mal auf so ’ner großen Betversammlung war. Und da hat sie geschrien, bis sie einen Koller kriegte. Dann kam sie wieder zu sich und sagte, sie hätte grade mit dem Herrn Jesus gesprochen. Er hätte ihr gesagt, sagte sie, daß sie den Auftrag hat, den alten Bruder Timmons vor der Hölle zu retten und ihn dazu zu bringen, mit einer wahren Christin, wie sie eine ist, über den Besen zu springen. Das hat ihm so ’n Schreck eingejagt, daß er es auch getan hat!«
    Obgleich nur wenige, denen er auf seinen Reisen begegnete, aus seinem Verhalten geschlossen hätten, daß er über den Besen gesprungen war, oder es je tun würde, überraschte Hühner-George die Frauen zu Hause im Sklavenquartier doch damit, daß er sich als ein guter Ehemann erwies, der seine Frau und seine Familie äußerst liebevoll behandelte. Niemals kam er von einem Hahnenkampf zurück – angetan mit Schal und Hut, die er bei Regen oder Sonnenschein, sommers wie winters trug –, ohne gewonnenes Geld mitzubringen, das sie auf die Seite legten. Meist gab er Matilda einige Dollar, nachdem er, wie stets, Geschenke für sie, seine Mammy, aber auch für Miss Malizy, Schwester Sarah, Onkel Pompey und den kleinen Virgil gekauft hatte. Danach blieb allerdings nicht allzuviel übrig. Er hatte auch jedesmal bei seiner Heimkehr mindestens eine Stunde lang über alles, was er auf seinen Reisen gehört oder gesehen hatte, zu erzählen. Wenn sich die ganze Gemeinschaft des Sklavenquartiers dann so um ihn versammelte, mußte Kizzy stets an ihren afrikanischen Pappy denken, der einst einem anderen Sklavenquartier soviel zu erzählen wußte – und nun war es ihr Sohn.
    Einmal kam Hühner-George von einer langen Reise aus Charleston zurück und beschrieb mächtig große Segelschiffe, so viele, daß ihre Masten wie ein Wald aussahen. Und die Nigger liefen wie die Ameisen herum und packten und schleppten all diese großen Tabaksäcke und alle möglichen andern Sachen auf die Schiffe nach England und vielen andern Orten. »Wo ich mit dem Masser jetzt immer fahre, sieht man überall Nigger Gräben ausheben und große Kiesstraßen bauen und auch Eisenbahnen. Die Nigger bauen dieses Land, scheint’s, ganz allein mit ihren Muskeln auf.«
    Ein anderes Mal hatte er gehört, daß die »Weißen die Indianer bedrohen, weil die so viele Nigger in ihren Reservaten aufgenommen haben. Viele von den Creeks und Seminolen haben Nigger geheiratet. Es gibt sogar ein paar schwarze Indianerhäuptlinge. Es heißt aber auch, daß die Chocktaws, Chickasaws und Cherokesen die Neger noch mehr hassen wie die Weißen.«
    Man hätte ihn gern noch weiter gefragt und viel mehr von ihm erfahren, aber bald zogen sich Kizzy, Miss Malizy, Schwester Sarah und Onkel Pompey mit ein paar höflichen Entschuldigungen in ihre Hütten zurück, um ihn mit Matilda allein zu lassen.
    »Hab mir ja vorgenommen, daß du von mir nicht dauernd Klagen zu hören kriegen sollst, George«, sagte sie eines Nachts zu ihm, als sie im Bett lagen, »aber es kommt mir oft so vor, als ob ich gar keinen Mann hätte.«
    »Weiß schon, was du meinst«, sagte er sogleich. »Aber wenn ich da draußen mit dem Masser rumfahre oder manchmal wenn ich mit Onkel Mingo die ganze Nacht so bei den kranken Hühnern sitze, dann denk ich doch immer nur an dich und den Kleinen.«
    Matilda biß sich auf die Zunge, um ihre Zweifel nicht laut werden zu lassen, wie sie auch manches von dem, was er sonst so erzählte, nicht glaubte. Statt dessen fragte sie: »Meinst du, es wird je besser werden, George?«
    »Wenn der Masser mal reich genug ist! Dann wird er selber zu Hause bleiben wollen. Aber schau, es schadet uns doch nichts, Baby! Denk doch mal, was wir alles sparen können, wenn ich wie bis jetzt die Gewinne nach Hause bringe.«
    »Geld ist kein Ersatz für dich!« sagte Matilda schroff, und dann sprach sie in sanfterem Ton: »Und wir würden ’ne Menge mehr sparen, wenn du nur nicht allen immerzu Geschenke mitbringen würdest. Natürlich freuen wir uns darüber, das weißt du ja. Aber, George, wo soll ich denn je das feine Seidenkleid tragen. Das ist doch direkt ein Kleid für ’ne richtige Missy.«
    »Aber, Schatz, das Kleid kannst du ja grad hier drinnen anziehn und es dann für mich wieder ausziehn.«
    »Du bist schrecklich!«
    Er war wirklich ein aufregender Mann – aufregender, als

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