Wurzeln
sie es sich je erträumt hatte, zumindest in dieser Beziehung. Und er war auch gewiß sehr vorsorglich. Aber sie traute ihm doch nicht wirklich, und so fragte sie sich immer wieder, ob er sie und seinen Sohn genausosehr liebte wie das Reisen mit dem Masser. Stand in der Bibel irgend etwas über Hühner? Sie erinnerte sich vage an irgend etwas – es mußte im Evangelium des Matthäus sein, falls sie nicht irrte – über »eine Henne, die ihre Küken unter ihre Fittiche nahm«. Ich muß es einmal nachschlagen, nahm sie sich vor.
Wenn sie ihren Mann bei sich zu Hause hatte, überwand Matilda ihre Zweifel und Enttäuschungen und bemühte sich, die beste Ehefrau zu sein, die man sich denken konnte. Wußte sie, daß er kam, so stand eine üppige Mahlzeit für ihn bereit. Kam er unerwartet, so begann sie sogleich mit Kochen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ihn zum Tischgebet zu ermuntern, gab sie nach einer Weile auf, so sprach sie nur selbst ein paar kurze Dankesworte und schaute ihm vergnügt beim Essen zu, während der gurgelnde kleine Virgil auf seinem Schoß saß. Wenn sie den Jungen dann ins Bett gebracht hatte, füllte sie für George die Zinnwanne mit heißem Wasser, wusch ihm das Haar und den Rücken oder rieb ihm, wenn er sich über schmerzende Füße beklagte, diese mit einer warmen Paste aus gerösteten Zwiebeln und hausgemachter Seife. Und wenn sie schließlich die Kerzen ausgeblasen hatten und beisammenlagen in ihren frischen Laken, entschädigte Hühner-George sie vollauf für seine Abwesenheit. Kaum hatte Virgil zu laufen begonnen, da war Matilda bereits wieder schwanger. Sie wunderte sich nur, daß es nicht früher geschehen war.
Jetzt war also ein zweites Kind unterwegs, und Großmutter Kizzy fand, daß die Zeit gekommen sei, mit ihrem Sohn ein ernstes Wort zu reden, was sie sich schon lange vorgenommen hatte. Er kam eines Sonntagmorgens von einer Reise zurück und fand sie mit Virgil beschäftigt, während Matilda im Herrenhaus war und Miss Malizy bei der Zubereitung eines Mahls für die zu erwartenden Gäste half.
»Setz dich mal eben dahin!« sagte sie, ohne Zeit zu verschwenden. Er hob die Augenbrauen und setzte sich. »Ist mir egal, ob du jetzt erwachsen bist, aber ich hab dich in die Welt gesetzt, und du wirst mir jetzt zuhören! Gott hat dir eine wunderbare Frau geschenkt, aber du behandelst sie überhaupt nicht gut! Und ich mach jetzt keinen Spaß nicht! Hörst du? Ich kann dir immer noch mit dem Stock den Hintern versohlen! Du wirst von jetzt an mehr Zeit mit deiner Frau und deinem Kleinen und mit deinem nächsten Baby verbringen, das schon schön am Wachsen ist!«
»Mammy, was denkst du denn?« fragte er, und sein Ton war so gereizt, wie er es sich ihr gegenüber nur traute. »Wenn der Masser sagt: ›Komm‹, soll ich da vielleicht zu ihm sagen: ›Nein, ich komm nicht‹?«
Kizzys Augen funkelten. »Darüber red ich gar nicht, das weißt du sehr gut. Aber du erzählst dem armen Ding da, daß du die ganze Nacht aufsitzt mit den kranken Hühnern und so ’n Zeug! Woher hast du nur diese Lügerei, das Trinken und Spielen und die Rumtreiberei? Du weißt genau, daß ich dich nicht zu so was erzogen hab! Und glaub bloß nicht, ich red nur so daher! Tilda ist doch nicht blöd. Sie will nur nicht, daß du es weißt, aber sie hat dich längst durchschaut!« Ohne ein weiteres Wort stapfte Großmutter Kizzy wütend aus der Hütte.
Da Masser Lea am großen Hahnenkampfturnier 1830 in Charleston teilnahm, konnte niemand Hühner-George einen Vorwurf daraus machen, daß er bei der Geburt seines Kindes abwesend war. Hellbegeistert vernahm er bei seiner Rückkehr, daß Matilda ihm einen zweiten Sohn geschenkt hatte – den sie bereits nach ihrem Bruder Ashford genannt hatte –, und außerdem war er über seine Glückssträhne hocherfreut. »Der Masser hat über tausend Dollar bei den Kämpfen gewonnen, und ich fünfzig! Ihr hättet mal hören sollen, wie die Weißen und die Nigger allesamt geschrien haben: ›Ich wette auf den Hühner-George!‹« Er erzählte ihr, daß Masser Lea in Charleston gehört habe, Präsident Andrew Jackson sei ganz ein Mann nach seiner Art. »Gibt niemand, der mehr auf Hahnenkämpfe aus ist wie der! Der ruft alle die großen Kongreßmänner und Senatoren zusammen, und dann zeigt er ihnen mal ’n richtigen Hahnenkampf, mit Hähnen aus Tennessee, mitten im Weißen Haus! Der Masser sagt, daß Jackson jederzeit zum Trinken und Spielen mit jedermann aufgelegt ist. Wird auch
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