Wurzeln
diesmal den kränklichen Onkel Mingo zu den Kämpfen mitzunehmen.
Er ging nervös vor der Tür seiner Hütte auf und ab, zuckte zusammen und runzelte die Stirn, als er Matildas angstvolles Stöhnen und Schreien hörte. Dann vernahm er andere Stimmen, schlich sich an die Tür und hörte, wie Mammy Kizzy der jungen Mutter zusprach. »Da, stemm dich gegen meine Hand – fester, mein Kleines! – – – Tief Atem holen – tief! – – – So ist’s recht! – – – Halt! – – – Halt!« Dann befahl Schwester Sarah:
»Drück runter – hörst du mich? – – – jetzt PRESSEN! PRESSEN!«
Und dann, bald darauf: »Da kommt es – oh, Jesses, ja –«
Es klatschte mehrmals, dann ertönte das schrille Schreien des Neugeborenen. Hühner-George trat einige Schritte zurück, ganz verwirrt über das, was er eben gehört hatte. Kurz darauf erschien Oma Kizzy, und sie strahlte übers ganze Gesicht. »Na. Sieht mir ganz so aus, als ob du nichts wie Jungens in dir hast!«
George führte einen solchen Freudentanz auf, daß Miss Malizy aus der Hintertür des Herrenhauses gerannt kam. Er lief ihr entgegen, nahm sie in seine Arme, schwenkte sie wild im Kreis herum und rief: »Dieser hier wird nach mir genannt!«
Am nächsten Abend versammelte er zum drittenmal alle in seiner Hütte, wo er dem jüngsten Familienmitglied die Geschichte von seinem afrikanischen Urgroßvater namens Kunta Kinte erzählte.
Als George Ende August mit Masser Lea in der Kreisstadt war und beide gerade die Rückfahrt antreten wollten, verbreitete sich dort die Nachricht vom Negeraufstand unter Nat Turner. George war damit beschäftigt, einen Barsch zu entschuppen, den der Masser gekauft hatte, und hörte nur undeutlich und brockenweise, was da geredet wurde: »Man weiß nicht, wie viele Familien umgekommen sind« – – – »Frauen und Kinder« – – – »schliefen friedlich in ihren Betten, als die mörderischen Nigger das Haus überfielen« – – – »mit Äxten, Schwertern und Knüppeln« – – – »ein Nigger-Prediger namens Nat Turner – – –«
Die Gesichter der anderen Schwarzen spiegelten die schlimmen Ahnungen wider, die George kamen, als er die weißen Männer fluchend und gestikulierend mit zornroten Gesichtern vor sich sah. Sofort entsann er sich wieder jener schreckensvollen Monate nach der Rebellion von Charleston, bei der kein einziger Weißer verletzt worden war. Aber was in aller Welt sollte jetzt geschehen? Der Masser kehrte mit verkniffenen Augen zum Wagen zurück, das Gesicht starr vor Wut. Er schaute sich nicht einmal um und fuhr mit einem solchen tollen Galopp heim, daß Hühner-George sich mit beiden Händen an den Wagenstangen festhalten mußte. Vor dem Herrenhaus sprang Masser Lea aus dem Wagen und ließ einen George zurück, der ratlos auf den gesäuberten Fisch starrte.
Augenblicke später stürzte Miss Malizy aus der Küchentür und rannte händeringend über den Hinterhof in das Sklavenquartier. Dann erschien der Masser mit seinem Gewehr und rief George mit schroffer Stimme zu: »Geh in deine Hütte!«
Er teilte sodann mit vor Haß zitternder Stimme allen seinen Sklaven mit, was George schon gehört hatte, und ließ sich auch nicht durch ein »Bitte, Masser« erweichen, das George schüchtern vorzubringen wagte, weil er meinte, er könnte den Masser vielleicht versöhnlich stimmen. Statt dessen richtete der Masser das Gewehr auf ihn und befahl allen Sklaven, ihre Hütten auszuräumen und alle ihre Besitztümer vorzuweisen. Dabei drohte er jedem, der eine Waffe oder einen als Waffe verwendbaren Gegenstand versteckt hätte, die fürchterlichsten Strafen an. Jedes Stück Stoff wurde ausgeschüttelt, jeder Behälter geöffnet, alle mit Maisstroh gefüllten Matratzen aufgeschlitzt – und immer noch schien seine Wut unbändig zu sein.
Der Schachtel mit Naturheilmitteln von Schwester Sarah gab er einen gewaltigen Fußtritt, und während ihre getrockneten Wurzeln und Kräuter in alle Himmelsrichtungen flogen, schrie er sie an: »Schmeiß das verdammte Voodoo-Zeug da weg!« Vor anderen Hütten warf er kostbar gehütete Gegenstände achtlos weg, zerstörte andere mit seinen Fäusten oder Füßen. Die vier Frauen weinten, der alte Onkel Pompey war wie gelähmt, die verschreckten Kinder klammerten sich heulend an Matildas Röcke. Hühner-George geriet in Wut, als Matilda aufschrie, weil der Masser mit dem Gewehrkolben ihre Wanduhr zerschlug und dabei rief: »Wenn ich auch nur einen scharfen Nagel finde, mach
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