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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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erzählt, daß er in seinem Wagen mit den kastanienbraunen Pferden immer seinen samtgefütterten Schnapskoffer neben sich liegen hat. Der Masser sagt, ihm wär’s schon recht, als weißem Südstaatler, daß der Jackson Präsident bleibt, solange er mag.« Matilda war nicht beeindruckt.
    Aber Hühner-George hatte in Charleston etwas gesehen, das sie – und die anderen im Sklavenquartier – genauso tief erschütterte wie ihn. »Ich wette jede Summe, daß ich’s gesehn hab. Mindestens eine Meile lang Nigger, die in Ketten getrieben wurden.«
    »Jesses! Wo waren die denn her?« fragte Miss Malizy.
    »Manche aus Nord-, manche aus Süd-Carolina, aber die meisten aus Virginia. So hab ich’s gehört«, sagte er. »Nigger in Charleston haben mir erzählt, daß man Tausende im Monat auf die großen Baumwollpflanzungen bringt, die man jetzt auf dem abgeholzten Land in Alabama, Mississippi, Louisiana, Arkansas und Texas angelegt hat. Die sagen, daß es mit den altmodischen Niggerhändlern jetzt aus ist, wegen den großen neuen Gesellschaften mit ihren Büros in den großen Hotels. Die erzählen sogar, daß die großen Raddampfer jetzt nur noch die angeketteten Virginia-Nigger runter nach New Orleans verfrachten. Und dann erzählen sie –«
    »Jetzt hör aber auf!« Kizzy war aufgesprungen. »Hör auf!« Sie rannte weinend in ihre Hütte.
    »Was ist denn mit ihr los?« fragte George Matilda, nachdem die anderen sich verlegen zurückgezogen hatten.
    »Weißt du das denn nicht?« fauchte sie ihn an. »Ihre Mammy und ihr Pappy sind in Virginia geblieben, soviel sie weiß, und jetzt hast du ihr einen Todesschrecken eingejagt.«
    Hühner-George sah elend aus. Daran hatte er gar nicht gedacht, aber Matilda wollte nicht so schnell lockerlassen. Sie hatte sich überzeugt, daß er trotz all seiner Welterfahrenheit es sehr ernstlich an Gefühl für viele Dinge mangeln ließ. »Du weißt so gut wie ich, daß Mammy Kizzy selber verkauft worden ist. Genau wie ich!« sagte sie. »Und keiner, der einmal verkauft worden ist, wird es je vergessen! Und wird niemals mehr wie vorher sein! Dir ist es ja nie passiert. Deshalb weißt du eben nicht, daß auf keinen Masser Verlaß ist – deinen eingeschlossen!«
    »Was schnauzt du mich dafür an?«
    »Du fragst mich, was mit Mammy Kizzy los ist, und ich sag’s dir. Das ist alles.« Matilda nahm sich zusammen. Sie wollte keinen Streit mit ihrem Mann aufkommen lassen. Nach einem Moment des Schweigens brachte sie ein schwaches Lächeln zustande. »George, ich weiß, über was Mammy Kizzy sich jetzt freuen würde. Geh sie holen, daß sie zuhört, wie du diesem Baby hier von seinem afrikanischen Opa erzählst, wie damals dem Virgil.« Und das tat er denn auch.

Kapitel 96
    Es war kurz vor Morgengrauen. Hühner-George stand leicht schwankend im Türrahmen und grinste Matilda entgegen, die die ganze Nacht auf ihn gewartet hatte. Sein schwarzer Hut saß ihm schief auf dem Kopf. »Der Fuchs ist in den Hühnerstall eingebrochen«, stammelte er. »Ich und Onkel Mingo haben die ganze Nacht nach den Viechern gesucht –«
    Matildas erhobene Hand hieß ihn schweigen, und der Ton ihrer Stimme war äußerst kalt. »Komischer Fuchs das. Der hat dir wohl Schnaps eingeflößt und dich mit dem Rosenwasser besprenkelt, das ich an dir rieche –« Hühner-George wollte etwas erwidern. »Nein, George, jetzt hörst du mir mal zu! Eins sag ich dir, solang ich deine Frau und die Mammy unsrer Kinder bin, werd ich hier sein, wenn du weggehst, und werd ich hier sein, wenn du zurückkommst, denn so, wie du dich aufführst, schadest du dir bloß selbst. Steht ja genau schon in der Bibel: Wie ihr säet, so werdet ihr ernten – Säe einmal, und du erntest doppelt. Und im siebten Kapitel Matthäus steht: Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden!«
    Er versuchte so zu tun, als sei er zu wütend, um reden zu können, aber in Wirklichkeit wußte er nicht, was er sagen sollte. Er drehte sich um, trat aus der Tür und torkelte die Straße hinunter zum Hahnengrund. Er würde eben mit den Hühnern schlafen.
    Aber am nächsten Tag war er zurück mit dem Hut in der Hand und verbrachte seine Nächte in diesem Herbst und Winter nun pflichtgemäß mit seiner Familie, die wenigen Tage ausgenommen, die er und der Masser auf Reisen waren. Und als Matildas Wehen eines Morgens früh im Januar 1831 einsetzten, überredete er den Masser, obgleich es mitten in der Kampfsaison war, ihn zu Hause bleiben zu lassen und statt seiner

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