Wurzeln
sich entschloß, ihre Antwort etwas hinauszuzögern, um unparteiischer zu klingen.
»Hm, ja«, sagte sie schließlich. »Wer sich unterhalten will, der würde bei dem Jungen bestimmt nicht auf seine Kosten kommen, denn mit Reden ist nicht viel bei ihm zu machen, Masser, aber eins muß ich schon sagen: Er ist ein wirklich kluges Kind – Tatsache, das ist er – und auch ein ganz gutes!« Miss Malizy machte eine bedeutungsvolle Pause. »Und ich nehm an, daß er eines Tages zu ’nem richtigen Mann ranwächst, der mehr Mann ist wie sein Pappy. In vieler Beziehung.«
»Was redest du da? In welcher Beziehung?.«
»Eben in mancher Beziehung, Masser, wie ich’s gesagt hab. Viel solider und zuverlässiger und nicht ständig auf irgendwelche Dummheiten aus und solche Sachen. Er wird mal ein Mann, wie ihn eine Frau sich nur wünschen kann.«
»Na, hoffentlich denkt er noch nicht ans Heiraten«, sagte Masser Lea etwas mißtrauisch. »Das hab ich eben erst dem ältesten Jungen erlaubt – wie heißt er noch gleich?«
»Virgil, Masser.«
»Stimmt. Und jedes Wochenende läuft er jetzt zur Curry-Pflanzung rüber, um mit seinem Mädchen zu schlafen, statt hier zu arbeiten, wie sich’s gehört.«
»Aber der Tom nicht. Nein, Sörr, der ist noch zu jung für solche Flausen, und er wird wohl auch noch nicht so bald auf solche Gedanken kommen, selbst wenn er erwachsen ist, jedenfalls nicht solange, wie er nicht das richtige Mädchen gefunden hat.«
»Du bist nur schon zu alt und weißt nichts mehr von den jungen Böcken, die heutzutage so rumlaufen«, sagte Masser Lea. »Sollte mich nicht wundern, wenn einer einfach Pflug und Maulesel auf dem Feld stehenläßt, weil er irgendeinem Mädchen nachjagt.«
»Da bin ich ganz einverstanden, wenn’s um den jungen Ashford geht, Masser, der stellt den Weibern genauso nach wie sein Pappy. Aber Tom ist nicht so. Überhaupt nicht.«
»Na schön. Wenn ich mich drauf verlassen kann, was du mir da erzählst, könnte der Junge tatsächlich was taugen.«
»Verlaßt Euch auf das, was wir alle von Tom halten, Masser.« Miss Malizy ließ sich ihren Triumph nicht anmerken. »Weiß zwar nicht, was Ihr genau von Tom wissen wollt, aber er ist bestimmt der allerbeste von den großen Jungens.«
Masser Lea teilte Hühner-George fünf Tage später seine Entscheidung mit.
»Ich habe eine Vereinbarung getroffen, um deinen Tom auf der Askew-Pflanzung in Kost und Logis zu geben«, verkündete er feierlich. »Da soll er bei dem Niggerschmied Isaiah drei Jahre in die Lehre gehen.« George war so begeistert, daß er sich beherrschen mußte, um den Masser nicht zu umarmen und in der Luft herumzuwirbeln. Statt dessen grinste er breit und begann, sich überschwenglich zu bedanken.
»Hoffe nur, daß du mir über den Jungen keine Geschichten erzählt hast, George. Auf deine Versicherungen hin hab ich ihn dem Masser Askew wärmstens empfohlen. Wenn er sich nicht als so gut erweist, wie du sagst, dann hol ich ihn mir schneller zurück, als du A sagen kannst, und wenn er dann noch mal aus der Reihe tanzt und auf irgendeine Weise mein Vertrauen mißbraucht, wirst du mir dafür gradestehn. Verstanden?«
»Er wird Euch nicht enttäuschen, Masser. Das versprech ich. Der Junge ist noch vom alten Schlag.«
»Das befürcht ich ja grade. Sieh zu, daß er bis morgen früh seine Sachen gepackt hat und reisefertig ist.«
»Jasörr. Und nochmals vielen Dank. Werdet es nicht bereuen.«
Sowie der Masser sich entfernt hatte, rannte Hühner-George zum Sklavenquartier zurück und wußte sich vor Stolz darüber, was er erreicht hatte, kaum zu lassen. Als er Matilda und Kizzy, die ihm zuerst zugeredet hatten, mit dem Masser zu sprechen, die frohe Nachricht überbrachte, war er noch zu aufgeregt, die spöttischen Blicke zu bemerken, die die Frauen untereinander tauschten. Gleich darauf lief er zur Tür und brüllte: »Tom! Tom! Tom, hörst du mich?«
»Ja doch, Pappy!« Die Antwort kam hinter der Scheune hervor.
»Junge, komm sofort hierher!«
Einen Augenblick später sperrte Tom Mund und Augen auf. Für ihn kam die Nachricht gänzlich unerwartet – man hatte ihm eine eventuelle Enttäuschung ersparen wollen, falls alles Vorstelligwerden beim Masser vergeblich gewesen wäre. Obwohl er überglücklich war, machten ihn all die begeisterten Glückwünsche doch so verlegen, daß er so rasch wie möglich das Haus verließ – nicht zuletzt, um sich zu vergewissern, ob sein Wunschtraum sich auch tatsächlich erfüllt hatte. Er
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