Wurzeln
meiste Zeit verbracht hatte, denn Matildas Schreie, Geheul und Geschimpfe hatten ihn in der letzten Nacht schließlich aus seiner Hütte vertrieben.
»George, ich muß dir was sagen, was dich schwer treffen wird.« Der Masser suchte nach Worten. »Weiß kaum, wie ich’s anfangen soll. Aber du weißt ja selbst, daß ich nie im Leben so viel Geld hatte, wie die Leute immer dachten. Es ist nun mal so – außer ein paar tausend gehört mir nichts außer dem Haus, dem Land hier und euch paar Niggern.«
Er wird uns verkaufen , verstand George sofort.
»Das Schlimmste ist nur, daß all das zusammen erst die Hälfte von dem ausmacht, was ich diesem verdammten Scheißkerl schulde«, fuhr der Masser fort. »Aber er hat mir da ein Angebot gemacht –« Er zögerte wieder. »Du hast ja gehört, was er gesagt hat – über das, was er von dir gehört hat. Und heute sagte er, daß er jetzt gesehen hat, wie gut du im Trainieren von Kampfhähnen bist –«
Der Masser holte tief Atem. George hielt seinen an.
»Na schön, er braucht anscheinend einen Trainer als Ersatz für einen, den er da drüben in England vor ’ner ganzen Weile verloren hat, und er findet es sehr lustig, einen Niggertrainer von hier mitzunehmen.« Der Masser brachte es nicht fertig, George in seine fassungslos aufgerissenen Augen zu blicken, und kam jetzt direkt zur Sache. »Na ja. Um nicht lange drum herumzureden: er hat vorgeschlagen, ich soll ihm mein ganzes Bargeld, eine erste und zweite Hypothek auf das Haus geben und dich mit ihm nach England gehen lassen, und du sollst so lange dableiben, bis ein neuer Trainer angelernt ist, und dann wären wir quitt. Er sagt, es dauert sowieso nicht länger als ein paar Jahre.«
Der Masser zwang sich nun, Hühner-George ins Gesicht zu sehen. »Kann dir nicht sagen, wie leid mir das tut, George – – – aber ich hab nun mal keine andre Wahl. Er läßt mich noch einigermaßen glimpflich davonkommen. Wenn ich’s nicht tue, bin ich fertig, dann ist Schluß, und dann hab ich überhaupt nichts mehr.«
George fand keine Worte. Was hätte er auch sagen sollen? Schließlich war er ein Sklave seines Masser.
»So. Ich weiß, daß du auch am Ende bist, aber ich werd es wiedergutmachen, und ich geb dir hier mein Wort, daß ich für deine Frau und die Kinder sorgen werde, wenn du weg bist. Und am Tage deiner Rückkehr –«
Masser Lea hielt inne, griff in die Tasche, entnahm ihr ein zusammengelegtes Stück Papier, das er sorgfältig auseinanderfaltete und Hühner-George hinhielt.
»Weißt du, was das hier ist? Hab mich gestern abend hingesetzt und es geschrieben. Was du vor dir hast, Junge, ist dein offizielles Freilassungszeugnis. Ich werd’s in meinem Geldschrank aufbewahren und es dir aushändigen, wenn du zurückkommst!«
Hühner-George starrte die geheimnisvolle Schrift an, die das ganze weiße Papier überzog, wobei er nur mit Mühe seine Wut beherrschen konnte. Schließlich sagte er ruhig: »Masser, ich wollt uns aber alle freikaufen, und von meinem Geld. Jetzt ist alles weg, und Ihr schickt mich irgendwo weit übers Meer – weg von meiner Frau und meinen Kindern. Warum könnt Ihr nicht wenigstens die jetzt schon freilassen – und mich, wenn ich zurück bin?«
Masser Lea kniff die Augen zusammen. »Ich brauch mir von dir nicht sagen zu lassen, was ich zu tun hab. Ist schließlich nicht meine Schuld, wenn du dein Geld verloren hast. Ich hab dir schon viel zuviel angeboten, und jetzt kommst du mir so. Das ist der Ärger mit euch Niggern. Paß gefälligst auf dein Mundwerk auf!« Das Gesicht des Masser lief rot an. »Wenn du nicht dein ganzes Leben lang bei mir gewesen wärst, würd ich deinen Arsch am liebsten auf der Stelle verkaufen!«
George schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Wenn Euch wirklich was an mir liegt, Masser, warum macht Ihr mir mein Leben dann kaputt?«
Das Gesicht des Masser blieb hart: »Pack deine Sachen und nimm, was du brauchst! Samstag fährst du nach England.«
Kapitel 104
Mit Hühner-George hatte Masser Lea sein Hab und Gut und wahrscheinlich auch seinen Mut verloren, und das Glück wandte sich von ihm ab. Zuerst wies er Klein George an, sich ganztägig um die Hühner zu kümmern, aber schon am Abend des dritten Tages fand er die Wasserbehälter in den Käfigen der jungen Hähne leer und jagte den dicklichen trägen Klein George mit Verwünschungen und Drohungen davon. Dann holte er Lewis, Hühner-Georges neunzehnjährigen jüngsten Sohn, von der Feldarbeit und schickte ihn
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