Wurzeln
verblüfften Männer sich vozustellen versuchten, was es hieße, wenn zwei Kampfhähne sich um eine Summe von achtzigtausend Dollar schlugen – denn der Sieger würde den Gesamteinsatz kassieren.
Alles starrte auf Masser Lea. Er schien verwirrt und unsicher. Eine Sekunde lang schaute er zu Hühner-George, der sich mit fieberhaftem Eifer an dem verletzten Hahn zu schaffen machte. Hühner-George war ebenso überrascht wie die anderen, als er seine eigene Stimme vernahm. »Masser«, rief er, »Eure Hähne schaffen alles, was Federn am Leibe hat!« Alle Gesichter drehten sich nach ihm um.
»Ich hab schon gehört, daß Euer treuer Schwarzer da zu den besten Trainern gehören soll, aber ich würde mich nicht allzusehr auf sein Urteil verlassen. Ich habe nämlich auch ein paar recht gute Tiere.«
Der Engländer sprach diese Worte, als ob ihm sein jüngster Verlust nicht mehr ausmachte als ein verlorenes Murmelspiel und als ob er sich über Masser Lea lustig machte. Der antwortete mit gezwungener Höflichkeit: »Ja, mein Herr. Ich stimme Eurem Vorschlag zu und werde mit Vergnügen die Summe auf einen weiteren Kampf liegenlassen.«
Die nächsten Minuten der Vorbereitungen vergingen für Hühner-George wie in einem Taumel. Die Menschenmenge verharrte in absoluter Stille. Etwas Derartiges war noch nie dagewesen. Als Masser Lea mit dem Zeigefinger auf den Hahn wies, dem er den Beinamen »Der Falke« gegeben hatte, billigte George instinktiv diese Wahl. »Der Falke, Jasörr«, flüsterte er. George kannte genau die Tendenz dieses Hahnes, seinen Gegner mit dem Schnabel zu packen und ihn festzuhalten, während er ihn mit den Sporen bearbeitete. Das war genau die richtige Taktik einem zu raffiniert trainierten Tier gegenüber, das dem Gegner geschickt auswich, so wie es der vorige Kampf gezeigt hatte. Denn das mußten die Trainingsmethoden des Engländers sein. Masser Lea nahm den »Falken« in den Arm und trat an den Ring, wo der Engländer einen kräftigen dunkelgrauen Hahn aufbot. Beide Tiere wogen sechs Pfund.
Kaum war das »Pit« ertönt, erfolgte erwartungsgemäß der erste Anprall der Tiere gegeneinander, aber irgendwie war keines der Tiere in die Luft geflattert, sie schlugen nur wild mit den Flügeln aufeinander los, und Hühner-George hörte, wie der »Falke« mit dem Schnabel nach einem richtigen Halt schnappte – – – und dann traf ihn blitzschnell ein gewaltiger Sporenhieb des englischen Hahns. Der »Falke« taumelte und ließ einen Augenblick den Kopf hängen, bevor er zu Boden sank und ihm das Blut aus dem offenen Schnabel stürzte.
»Jesses Gott! O Jesses Gott! O Jesses Gott!« Hühner-George rannte zum Kampfplatz und stieß Leute beiseite, um zu seinem Pflegling zu gelangen. Er weinte wie ein Kind, hielt den offensichtlich tödlich getroffenen »Falken« in den Händen, saugte ihm das geronnene Blut aus dem Schnabel, während das Tier noch einmal leicht aufflatterte und in seinen Armen verschied. Er erhob sich, trat in die Menge, wo man vor seinem verzweifelten Kummer zurückwich, und ging mit dem toten Hahn zum Wagen zurück.
Einige Plantagenbesitzer beglückwünschten nun lärmend den Engländer und Masser Jewett, schlugen ihnen auf die Schultern und schüttelten ihnen die Hände. Alle hatten dem geschlagenen einsamen Masser Lea den Rücken gekehrt. Er stand da wie angewurzelt und starrte ausdruckslos auf die Blutflecke auf dem Kampfplatz.
Sir C. Eric Russell wandte sich schließlich um und schritt auf den Masser zu, der langsam zu ihm aufblickte.
»Was habt Ihr gesagt?« murmelte er.
»Ich habe gesagt, heute ist nicht einer Eurer Glückstage.«
Es gelang Masser Lea sogar, ein schwaches Lächeln zustande zu bringen.
Sir C. Eric Russell fuhr fort: »Was die Zahlung der Wettsumme anbelangt, so weiß ich natürlich, daß niemand solche Beträge in der Tasche mit sich herumträgt. Wir könnten diese Angelegenheit ja morgen erledigen. Sagen wir – – – irgendwann am Nachmittag –« Er schwieg einen Moment. »Wie wär’s bei Mister Jewett nach dem Tee?«
Masser Lea nickte benommen. »Jawohl, meine Herren.«
Die Heimfahrt dauerte zwei Stunden. Weder der Masser noch Hühner-George sprachen ein Wort. Für Hühner-George war es die längste Reise, die er je gemacht hatte. Aber sie schien ihm bei weitem nicht lang genug, als der Wagen durch die Einfahrt rollte.
Als Masser Lea am nächsten Abend von Masser Jewetts Haus zurückkehrte, fand er Hühner-George beim Füttern im Hahnengrund, wo er die
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