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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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in den Hahnengrund. Um für die restlichen Hahnenkämpfe der Saison vorbereitet zu sein, war Masser Lea jetzt gezwungen, all die mit dem Training und der Pflege verbundenen Arbeiten selbst zu verrichten, da Lewis sich in diesen Dingen noch nicht auskannte. Er begleitete den Masser zu den Kämpfen in der Umgebung, und am Abend erwartete ihn die versammelte Familie, um die letzten Neuigkeiten zu hören.
    Lewis erzählte ihnen, die Hähne des Masser hätten die meisten Kämpfe verloren, und fügte nach einer Weile hinzu, er habe gehört, daß Tom Lea ständig Geld zu borgen versuchte, um neue Wetten abzuschließen. »Scheint so, als ob nicht viele Leute was mit dem Masser zu tun haben wollen. Sagen ihm grade nur guten Tag oder winken ihm kurz zu, aber sonst meiden sie ihn, wie wenn er die Pest hat.«
    »Ja, ist schon ’ne Pest, wenn alle wissen, daß man arm geworden ist und nichts mehr hat«, meinte Matilda. »Ein armer weißer Schlucker, wie er’s schon immer war!« sagte Schwester Sarah.
    Es hatte sich im Sklavenquartier bereits herumgesprochen, daß Masser Lea sich heftig dem Trunk ergab und jeden Abend nach dem üblichen Krach mit der Missis soff.
    »So eklig war der Alte noch nie!« sagte Miss Malizy eines Abends zu den anderen. »Hat wieder mal rumgetobt wie ’n Geier und gebrüllt und geflucht, wenn die Missy ihn bloß ansah. Den ganzen Tag, wenn er weg ist, liegt sie da und heult und sagt, sie will von überhaupt keinen Hühnern gar nichts mehr hören!«
    Matilda saß schweigend dabei. Sie hatte selbst viel geweint und gebetet, seit Hühner-George fort war. Sie besah sich ihre drei halbwüchsigen Töchter und die sechs erwachsenen Söhne, von denen drei verheiratet waren und Kinder hatten. Dann blieb ihr Blick auf ihrem Sohn Tom, dem Schmied, ruhen, als ob sie wünschte, er würde etwas sagen. Aber statt seiner sprach zuerst Lilly Sue, Virgils schwangere Frau, die von der Curry-Pflanzung zu einem kurzen Besuch herübergekommen war, und ihre Stimme klang angstvoll. »Ich kenn zwar euern Masser nicht so gut wie ihr, aber ich hab das Gefühl, daß der was Fürchterliches anstellen wird. So wahr ich lebe.« Alle verfielen in Schweigen, niemand wollte seine Meinung kundtun, wenigstens nicht laut.
    Am nächsten Morgen nach dem Frühstück eilte Miss Malizy watschelnd von der Küche zur Schmiede. »Der Masser sagt, du sollst sein Pferd satteln und es zum Haupteingang bringen, Tom«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Jesses Gott, beeil dich bloß, denn was er der armen alten Missis gesagt hat, das kann man gar nicht wiederholen.« Wortlos band Tom das gesattelte Pferd am Torpfosten fest und war fast schon wieder um die Ecke verschwunden, als Masser Lea schwankend aus dem Haus trat. Das Gesicht vom Alkohol gerötet, wuchtete er sich unbeholfen in den Sattel und galoppierte davon.
    Durch ein halbgeöffnetes Fenster hörte Tom Missis Leas herzzerreißendes Schluchzen. Es war ihm peinlich, ihren Kummer belauscht zu haben, und er ging rasch durch den Hinterhof zu seinem Schmiedeschuppen und wieder an die Arbeit. Kurz darauf erschien Miss Malizy zum zweitenmal.
    »Tom, ich sag dir, der Masser wird sich noch umbringen, wenn er so weitermacht. Denk doch nur – ein Mann von fast achtzig.«
    »Wenn du’s genau wissen willst, Miss Malizy«, antwortete er, »glaub ich auch, daß er das vorhat. So oder so.«
    Masser Lea kam am Nachmittag zurück, in Begleitung eines anderen Weißen zu Pferd, und Miss Malizy und Tom, die auf ihren Ausschauposten in der Küche und der Schmiede waren, sahen zu ihrer Überraschung, daß die beiden nicht abstiegen und ins Haus traten, um sich zu erfrischen und etwas zu trinken, wie es sonst bei allen Gästen üblich war, sondern geradewegs zum Hahnengrund hinunterritten. Kaum eine halbe Stunde später sahen Tom und Miss Malizy den Besucher im schnellen Trab allein zurückkommen. Unter dem Arm hielt er eine erschreckte, laut gackernde Zuchthenne, und Tom, der vor der Schmiede stand, bemerkte, daß der Mann wütend war.
    An diesem Abend erzählte Lewis im Sklavenquartier, was sich tatsächlich zugetragen hatte. »Als ich die Pferde kommen hörte, hab ich es erst mal so eingerichtet, daß der Masser mich auch bei der Arbeit sieht, dann bin ich irgendwo hinter die Büsche, wo ich ihn gut sehen und hören konnte.
    Erst haben sie ziemlich hart verhandelt und geschachert und sich irgendwie auf diese Zuchthenne, die auf ihren Eiern saß, geeinigt. Ich hab noch gesehn, wie der Mann das Geld zählt und

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