Wurzeln
sich die vielen Zeugnisse von Toms Schmiedekunst, die an Nägeln und Haken hingen, anzusehen. Dann fragte er Tom: »Wie alt bist du, Junge?«
»Bald dreiundzwanzig, Sörr.«
»Wie viele Kinder hast du?«
»Hab ja noch keine Frau, Sörr.«
»’n großer starker Junge wie du braucht doch nicht verheiratet zu sein, um überall in der Gegend Kinder zu machen.«
Tom sagte nichts, aber er dachte daran, wie viele Kinder von weißen Vätern überall in den Sklavenquartieren lebten.
»Bist du vielleicht einer von den religiösen Niggern?«
Tom wußte, der Mann versuchte, mehr über ihn herauszufinden, um seinen Kaufpreis zu taxieren. Er sagte mit Bestimmtheit: »Ich denk, Masser Lea hat Euch schon erzählt, daß wir hier wie eine Familie sind. Meine Mammy, Oma, Brüder, Schwestern und die Kleinen. Wir sind alle so erzogen worden, daß wir an Gott und die Bibel glauben, Sörr.«
Der Mann kniff die Augen zusammen. »Und wer von euch liest den andern die Bibel vor?«
Tom hatte nicht die Absicht, diesem bedrohlichen Fremden zu erzählen, daß seine Mammy und Großmutter lesen konnten, also sagte er: »Wir sind hier alle grad so mit der Heiligen Schrift aufgewachsen und kennen sie zum Teil auswendig, Sörr.«
Der Mann schien beruhigt und kam auf sein ursprüngliches Thema zurück. »Glaubst du, du kannst mit einer größeren Schmiede zurechtkommen?«
Aha. Es stimmte also: er sollte verkauft werden. Tom beherrschte seine Wut mit Mühe, doch galt es jetzt, herauszubekommen, ob auch die anderen verkauft werden sollten. Er gab also eine recht unbestimmte Antwort: »Glaub schon, daß ich und die andern hier Feldarbeit und so ungefähr alles machen können, was auf ’ner Pflanzung anfällt.«
Der Masser und sein Besucher schlenderten so unbeteiligt davon, wie sie gekommen waren, doch hatten sie sich kaum ein paar Schritte in Richtung der Felder entfernt, als die alte Miss Malizy von der Küche herbeigeeilt kam: »Was haben sie gesagt, Tom? Die Missis kann mir nicht mal mehr in die Augen gucken.«
Tom bemühte sich, seine Stimme zu beherrschen, und sagte nur: »Wird wohl wer verkauft werden, Miss Malizy, vielleicht wir alle, vielleicht nur ich.« Miss Malizy brach sogleich in Tränen aus, und Tom packte sie fest an den Schultern. »Miss Malizy, ist kein Grund zum Heulen! Hab schon Mammy gesagt, sicher sind wir woanders besser dran als bei dem hier.« Aber Tom mochte es anfangen, wie er wollte, er konnte Miss Malizys Kummer nicht besänftigen.
Am Abend kehrten die anderen von den Feldern heim. Toms Brüder machten bedrückt-grimmige Gesichter, und die Frauen jammerten und heulten. Alle wollten gleichzeitig erzählen, wie der Masser und sein Besucher herausgekommen waren, sie bei der Arbeit zu beobachten, und wie der Fremde jedem einzelnen Fragen gestellt hatte, die keinen Zweifel daran ließen, daß er ihren Kaufpreis schätzte.
Bis zu den frühen Morgenstunden herrschte im Sklavenquartier Kummer und Schrecken, das Gejammer mußte im Herrenhaus zu hören sein. Die Männer reagierten fast ausnahmslos genauso hysterisch wie die Frauen, alle hatten sich von der Angst mitreißen lassen, umarmten sich gegenseitig, weinten und klagten, daß sie bald auf immer getrennt sein würden. »Lieber Herr Jesus, erlöse uns von dem Bösen !« flehte Matilda.
Tom ließ die Frühglocke am nächsten Morgen mit einem Vorgefühl des Unheils ertönen.
Die alte Miss Malizy ging an ihm vorüber, um in der Küche des Herrenhauses das Frühstück zuzubereiten. Keine zehn Minuten später stapfte sie schwerfällig zum Sklavenquartier zurück, verheult und geängstigt: »Der Masser sagt, daß keiner nirgends nicht hingehn darf. Er sagt, er will alle hier draußen versammelt sehn, wenn er mit Frühstücken fertig ist – – –«
Sogar der kranke alte Onkel Pompey wurde auf seinem Stuhl aus seiner Hütte getragen, während sich die anderen voller Schrecken im Hof aufstellten.
Masser Lea trat mit seinem Besucher seitlich aus dem Haus, und siebzehn Augenpaare erkannten an seinem schlurfenden Gang, daß er noch betrunkener als gewöhnlich war. Er stellte sich vor seine Sklaven hin und sagte heiser und verärgert:
»Ihr Nigger da steckt ja sowieso eure Nasen ständig in meine Angelegenheiten, da dürfte es euch nicht entgangen sein, daß hier nichts mehr zu holen ist. Ich bin am Ende. Ihr seid mir eine Last, die ich nicht mehr verkraften kann, und deshalb werdet ihr verkauft an diesen Herrn hier.«
Ein Schreien und Stöhnen hob an, doch der Fremde
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