Wurzeln
zum letztenmal! Sonst bekommt ihr zu spüren, wie ich mit Niggern umgehen kann!«
Toms Augen suchten die Masser Leas, und einen Moment lang trafen sie sich. Tom wählte seine Worte und sprach mit belegter Stimme: »Masser, tut uns wirklich leid, daß Ihr Pech gehabt habt, und wir wissen ja auch, daß Ihr uns nur verkauft, weil’s nicht anders geht.«
Masser Lea schien fast dankbar, bevor er wieder zu Boden blickte, und er sprach so leise, daß er kaum zu verstehen war. »Nein, hab ja nichts gegen keinen von euch, Junge –« Er zögerte. »Würde sogar sagen, daß ihr alle gute Nigger seid, und die meisten von euch sind ja hier bei mir geboren und aufgewachsen.«
»Masser«, bat Tom jetzt mit leiser Stimme, »wenn die Leute in Alamance County die alten Leute von unserer Familie nicht aufnehmen wollen, dann gibt’s doch vielleicht einen Weg, daß ich sie Euch abkaufen kann? Dieser Mann hier hat doch eben gesagt, daß sie nicht viel Geld wert sind, und ich werd Euch ’n guten Preis bezahlen. Ich geh auf die Knie und bitte den neuen Masser, daß er mich zeitweise außerhalb arbeiten läßt – vielleicht für die Eisenbahn –, und meine Brüder würden auch was tun und mithelfen, Masser.« Tom liefen Tränen über die Wangen. »Masser, wir schicken Euch alles , was wir verdienen, bis wir bezahlt haben, was Ihr für Oma und die drei andern verlangt. Ist doch unsre Familie. Wir waren ja immer zusammen. Wenn wir nur bloß zusammenbleiben könnten, Masser –«
Masser Lea richtete sich auf. »Na schön! Gib mir dreihundert Dollar für jeden, und du kannst sie haben. Sie bleiben aber hier, bis ich das Geld in Händen hab!«
Über das Jammergeschrei hinweg ertönte Toms rauhe Stimme. »Da hätten wir mehr von Euch erwartet, Masser.«
»Schafft die Leute weg, Händler!« Masser Lea drehte sich abrupt um und ging schnell ins Haus zurück.
Im Sklavenquartier herrschte Verzweiflung. Sogar die alte Miss Malizy und Schwester Sarah versuchten, Großmutter Kizzy zu trösten. Die saß in ihrem Schaukelstuhl, umringt von den Ihren. Alle weinten.
Irgendwie fand sie die Kraft und den Mut, mit gepreßter Stimme zu sagen: »Nun habt euch doch nicht so! Ich und Sarah und Malizy und Pompey, wir werden halt warten, bis George zurückkommt. Das wird nicht mehr so lange dauern. Ist ja schon zwei Jahre her, daß er weg ist. Und wenn er nicht genug Geld hat, uns zu kaufen, dann wird’s ja auch nicht mehr lange dauern, bis Tom und ihr andern so viel zusammen habt –«
Ashford schluckte: »Ja, Oma, das werden wir bestimmt!« Sie blickte ihn und dann die anderen mit einem schwachen Lächeln an und fuhr fort: »Noch was. Wenn einer von euch noch mehr Kinder hat, bevor ich euch wiederseh, dann vergeßt nicht, ihnen von meinen Leuten zu erzählen, von meiner Mammy Bell und meinem afrikanischen Pappy Kunta Kinte, der wird ja der Ururgroßpappy von euren Kindern sein. Erzählt ihnen auch von mir, von meinem George und von euch selbst! Und von allem, was wir bei unsern Massers durchgemacht haben. Sagt den Kindern alles. Wie und wer wir sind!«
Weinend versprachen alle, dies zu tun. »Wir werden es bestimmt nie vergessen, Oma.« Sie streichelte die Gesichter der neben ihr Sitzenden. »Ist schon gut! Wird schon alles werden! Nu hört schon auf zu weinen! Werdet mich noch ertränken, wenn ihr nicht aufhört.«
Irgendwie vergingen die vier Tage. Die abfahren mußten, hatten ihre Sachen gepackt, und schließlich kam der Samstagmorgen. In der Nacht zuvor waren alle aufgeblieben. Man hatte kaum ein Wort gesprochen, einfach beisammengesessen, sich die Hände gehalten und der aufgehenden Sonne zugeschaut. Dann kamen die Wagen. Jeder der Abfahrenden drehte sich noch einmal schweigend um, die Zurückbleibenden zu grüßen.
»Wo ist eigentlich Onkel Pompey?« fragte jemand.
»Arme alte Seele. Hat mir gestern abend gesagt, er kann’s nicht über sich bringen, euch alle gehen zu sehn –«, antwortete Miss Malizy.
»Ich will ihm aber trotzdem noch ’n Kuß geben!« rief Klein Kizzy und lief zu seiner Hütte.
Kurz darauf hörte man sie laut heulen.
Die anderen liefen hinzu oder sprangen wieder vom Wagen. Da saß der alte Mann in seinem Stuhl. Er war tot.
Kapitel 105
Auf der neuen Pflanzung hatte die Familie erst am nächsten Sonntag, als Masser und Missis Murray in ihrem Einspänner zur Kirche gefahren waren, Gelegenheit, sich zu einem Plausch zusammenzufinden.
»Also, ich will ja gewiß nicht vorschnell urteilen«, sagte Matilda und ließ den
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