Wurzeln
Blick über ihre Kinderschar schweifen, »aber in der Woche hab ich mich beim Kochen viel mit Missis Murray in der Küche unterhalten – ich muß schon sagen, daß sie und dieser neue Masser mir gute Christenmenschen scheinen. Ich hab das Gefühl, daß wir’s hier viel besser haben werden – außer daß euer Pappy noch nicht zurück ist und Oma und die andern immer noch bei Masser Lea sind.« Sie sah wiederum ihre Kinder prüfend an und fragte: »Na, was denkt ihr, jetzt, wo ihr alles gehört und gesehn habt?«
Virgil meinte: »Also. Dieser Masser Murray scheint mir nicht grade viel von Landwirtschaft zu verstehen, und er weiß nicht, wie man ’n richtiger Masser ist.«
Matilda unterbrach ihn. »Das ist, weil sie Stadtleute waren. Sie haben in Burlington ’n Geschäft gehabt, und dann ist sein Onkel gestorben und hat ihnen in seinem Testament die ganze Pflanzung hier vermacht.«
Virgil sagte: »Jedesmal, wenn er mit mir geredet hat, sagte er, daß er sich nach einem weißen Aufseher umsehn und ihn anstellen will, damit er uns überwacht. Ich hab ihm gesagt, er soll das Geld nicht so unnütz ausgeben, sondern lieber fünf, sechs Feldarbeiter mehr einstellen wie so ’n Aufseher. Hab ihm gesagt, wenn er uns ’ne Chance gibt, können wir ihm ganz alleine ’ne gute Tabakernte einbringen –«
Ashford knurrte: »Wo mir so ’n weißer Knacker von Aufseher ständig auf den Fersen ist, werd ich nirgends lange bleiben!«
Virgil warf Ashford einen raschen Blick zu. »Masser Murray hat gesagt, er will sich’s ’ne Weile ansehn, wie wir’s machen.« Er schwieg einen Augenblick. »Hab ihn schon gebeten, daß er meine Lilly Sue und den Kleinen von Masser Curry da unten kauft und herbringt. Hab ihm erzählt, Lilly Sue arbeitet so schwer wie jeder, den er sonst brauchen kann. Er hat gesagt, er will sich’s überlegen, aber er hat bei der Bank schon ’ne Hypothek aufs Herrenhaus aufnehmen müssen, als er uns gekauft hat, da will er erst mal sehn, wieviel Tabak er dieses Jahr verkauft. – Also müssen wir alle ran! Ich weiß, daß die andern Weißen ihm schon viel erzählt haben, Nigger arbeiten nicht halb soviel, wenn man sie allein läßt. Wenn er jetzt einen von uns faulenzen oder rumtrödeln sieht, könnt ihr sicher sein, daß wir bei einem Aufseher landen.« Er sah noch einmal den schmollenden Ashford an und meinte: »Wär vielleicht ganz gut, wenn Masser Murray mal zu uns rauskommt, während wir arbeiten, und wenn ich euch alle so ’n bißchen anbrülle, nur so, ihr wißt ja, warum.«
»Klar!« fuhr Ashford ihn an, »du und jemand anders, den ich kenne, ihr versucht ja immer, den Obernigger beim Masser zu spielen.«
Tom horchte auf, tat aber, als ignoriere er Ashfords Bemerkung. Virgil jedoch erhob sich halb und streckte seinem Bruder seinen schwieligen Zeigefinger entgegen. »Junge, werd dir mal was sagen. Einer, der mit niemand nicht auskommen will, an dem ist was faul! Wirst dir eines Tages schon gehörigen Ärger einhandeln! Ich kann dir nur sagen – und das merk dir gut –, wenn du nicht mittust, dann werden sie einen von uns wegtragen müssen!«
»Schluß! Hört ihr zwei sofort auf mit dem Quatsch!« Matilda sah beide gebieterisch an und dann Ashford noch einmal besonders, bevor sie sich an Tom wandte, sichtlich in der Hoffnung, die plötzliche Spannung zu beheben. »Tom, ich hab dich schon ein paarmal mit Masser Murray gesehn, wie ihr da unten geredet habt, wo du deine Werkstatt baust. Was hältst du von der Sache?«
Tom sagte bedächtig: »Ich mein auch, daß wir hier besser dran sind. Aber es hängt ’ne Menge davon ab, wie wir’s anstellen. Wie du sagst, Masser Murray scheint mir keiner von den gemeinen Weißen zu sein. Virgil hat schon recht, wenn er sagt, daß er einfach nicht genug Erfahrung hat, um uns zu vertrauen. Sogar noch mehr. Ich glaub, er hat Angst, daß wir uns einbilden, er ist leicht rumzukriegen, und deshalb versucht er, sich härter zu stellen, wie er wirklich ist, und daher das ganze Gerede von dem Aufseher und so.« Tom hielt einen Moment inne. »Ich seh das so. Mammy kümmert sich um die Missis, und wir versuchen dem Masser beizubringen, daß alles gut geht, wenn er uns nur in Ruhe läßt.«
Nach einem zustimmenden Gemurmel sprach Matilda, und ihre Stimme klang hoffnungsvoll: »Also, fassen wir’s noch mal zusammen. Wie ihr sagt, wär’s ja wohl am besten, wenn wir Masser Murray erst mal dazu bringen, daß er Lilly Sue und den kleinen Uriah kauft. Mit eurem Pappy ist
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