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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Achtzig.«
    Matilda kam plötzlich ein Gedanke. »Tom, weißt du, was mir da eben einfällt? Deine Oma hat doch immer erzählt, ihr afrikanischer Pappy wußte immer, wie alt er war, weil er kleine Steine in eine Kürbisflasche steckte. Erinnerst du dich, wie sie das erzählt hat?«
    »Ja, Mammy. Natürlich.« Er dachte einen Augenblick nach. »Wie alt war er wohl?«
    »Hab ich nie gehört, kann mich jedenfalls nicht daran erinnern.« Sie blickte nachdenklich vor sich hin. »Hängt auch ganz davon ab, was du meinst. Er war soundso alt, wie sie ihm Oma Kizzy weggenommen und verkauft haben. Dann war er soundso alt, wie der Herr ihn zu sich genommen hat –« Sie zögerte. »Wenn Oma jetzt auf die Siebzig geht, da muß ihr Pappy schon längst tot und begraben sein. Ihre Mammy auch. Die armen Seelen!«
    »Hm, ja –«, brummte Tom »muß wohl. Manchmal frag ich mich, wie die wohl ausgesehn haben. Gehört hab ich soviel über sie.«
    »Ich auch, Junge.« Sie setzte sich in ihrem Stuhl zurecht. »Aber kommen wir mal wieder auf deine Oma und Sarah und Malizy zurück. Jede Nacht lieg ich auf den Knien und bitte den Herrn, daß er ihnen beisteht, jeden Tag bete ich, daß dein Pappy mit ’ner Menge Geld ankommt und sie kauft.« Sie lachte hell auf. »Eines Morgens schauen wir hoch, und sie sind alle vier – frei wie die Vögel!«
    »Das wär ’n Anblick! Das möcht ich wirklich sehn!« Tom grinste.
    Sie schwiegen beide, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Tom überlegte, ob jetzt wohl der rechte Augenblick und die passende Stimmung sei, seiner Mutter etwas mitzuteilen, das er noch keinem anvertraut hatte und das ganz so aussah, als könnte was draus werden.
    Er nahm eine Frage zum Anlaß, die Matilda vor einer Weile gestellt hatte. »Mammy, vorhin hast du gefragt, ob ich schon mal ans Heiraten gedacht hab. Weißt du noch?«
    Matilda richtete sich mit einem Ruck auf und strahlte: »Ja, mein Sohn?«
    Tom hätte sich ohrfeigen mögen. Warum mußte er gerade jetzt damit kommen? Er drehte und wendete sich und wußte nicht recht, wie er es anfangen sollte. Dann sagte er mit fester Stimme: »Also. Ich hab da ein Mädchen kennengelernt, und wir haben ein bißchen geredet –«
    »Allmächtiger Gott! Tom! Wer ist es denn?«
    »Niemand, den du kennst! Heißt Irene. Manche rufen sie ›Reeny‹. Sie gehört dem Masser Edwin Holt und arbeitet im Herrenhaus bei denen –«
    »Der reiche Masser Holt, von dem der Masser und die Missis erzählt haben, daß ihnen die große Baumwollspinnerei in Alamance Creek gehört?«
    »Ja, Mammy –«
    »Ihr Herrenhaus, ist das, wo du die schönen Fenstergitter eingebaut hast?«
    »Ja, Mammy –« Tom kam sich vor wie ein kleiner Junge, den man beim Naschen erwischt hat.
    »Jesses Gott!« Matilda strahlte übers ganze Gesicht. »Hat doch noch eine meinen Brummbär in die Falle gelockt!« Sie sprang auf, umarmte ihren verlegen dreinblickenden Sohn und sprudelte hervor: »Bin ja so glücklich für dich, mein Tom! Überglücklich!«
    »Nu warte doch, Mammy! Wart doch mal ab!« Er befreite sich aus ihrer Umarmung und drückte sie wieder auf ihren Stuhl. »Hab doch nur gesagt, wir haben ’n bißchen geredet.«
    »Junge, dir war schon von klein auf der Mund wie zugewachsen. Warst schon immer der schweigsamste von allen. Wenn du mir nun erzählst, du hast ’n Mädchen auch nur angesehn, dann weiß ich doch gleich, daß mehr dahintersteckt!«
    Er starrte sie entsetzt an. »Ich will aber nicht, daß du’s weitererzählst, verstehst du?«
    »Ich weiß , der Masser wird sie für dich kaufen, Junge! Erzähl mir mehr von ihr, Tom!« In Matildas Kopf überschlugen sich die Gedanken, und im Geiste sah sie sich bereits beim Backen des Hochzeitskuchens.
    »Es wird spät, muß jetzt gehn –« Aber sie war vor ihm an der Tür. »Bin ja so froh, daß alle meine Jungs nun bald jemand gefunden haben! Aber du bist nun grad mein bester!« Matildas Lachen war das glücklichste, das Tom seit langem an ihr gesehen hatte. »Ich werd wohl auch älter, bin schon grad so wie Oma Kizzy; die hat sich auch immer Enkelkinder gewünscht!« Tom schob sich an ihr vorbei und hörte sie noch von draußen: »Wenn ich lang genug leb, seh ich vielleicht sogar noch ’n paar Urenkelchen!«

Kapitel 106
    Einige Monate zuvor waren Masser und Missis Murray eines Sonntags eben von der Kirche heimgekehrt, als der Masser auch schon nach Matilda klingelte und ihr sagte, Tom solle sich auf der Veranda einfinden.
    Sichtlich zufrieden und erfreut

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