Wurzeln
grinsen, herumzudienern oder sich sonstwie albern aufzuführen. Tom schämte sich für sie, wie ihn auch früher oft das hochtrabende Gehabe seines Vaters Hühner-George verlegen gemacht hatte.
Außerdem empfand es Tom als einen Segen, daß er sich so völlig in sein Schmiedewerk vertiefen und darüber die ganze Welt vergessen konnte. Wenn er so vom frühesten Morgen bis weit in die Abenddämmerung an den Fenstergittern arbeitete, dachte er zuweilen stundenlang an alles mögliche andere, bis es ihn mit Macht zurück zu dem hübschen Zimmermädchen im Holtschen Hause zog.
Das Schmieden und Formen der Efeu- und Weinblätter war der schwerste Teil der Arbeit. Das hatte er gleich gewußt, als er Missis Holts Skizzen gesehen hatte. Tom unternahm wieder Spaziergänge, diesmal, um die Gestalt der Blätter in der Natur zu studieren. Dann erhitzte er wieder und wieder kleine Eisenstücke, schlug sie mit seinem schweren eckigen Hammer zu dünnen Plättchen und schnitt die mit einer Metallschere in unzählige herzförmige Muster.
Die kleinen Blattstiele erforderten besonders sorgfältige Feinarbeit. Er fand es gut, daß kein Blatt genau wie das andere aussah, denn so hatte er es auch in der Natur beobachtet. In der siebten Woche schweißte Tom schließlich die beblätterten Ranken an die bereits fertiggestellten Rahmen.
»Tom, ich sag dir, die sehn wirklich aus wie irgendwo rausgewachsen«, rief Matilda, als sie ehrfürchtig das Werk ihres Sohnes bewunderte. Kaum weniger begeistert reagierte Klein Kizzy, die sich inzwischen bereits in aller Offenheit von drei jungen Sklavenburschen den Hof machen ließ. Auch Toms Brüder und ihre Frauen – nur Ashford und Tom waren noch ledig – bestaunten die Arbeit und bezeigten Tom höchsten Respekt. Sogar der Masser und Missis Murray machten aus ihrer Freude und ihrem Stolz, einen solchen Schmied zu besitzen, kein Hehl.
Die Fenstergitter wurden auf den Wagen verladen, und Tom fuhr zum Landsitz der Holts, um sie einzubauen. Eines davon zeigte er Missis Holt gleich bei seiner Ankunft und fragte, ob es so recht sei. Sie klatschte entzückt in die Hände, rief ihre halbwüchsige Tochter und ihre erwachsenen Söhne, die gerade zu Besuch waren, herbei, und alle beglückwünschten Tom zu seinem Meisterwerk.
Er begann sofort mit dem Einbauen, und schon nach zwei Stunden waren die Fenster im Untergeschoß fertig, wo die Mitglieder der Familie Holt und einige ihrer Sklaven sie aufs neue bestaunten. Die Begeisterung der Missis mußte sich herumgesprochen haben, denn nun kamen auch andere, um seine Arbeit zu bestaunen. Doch wo war sie ? Tom fragte sich dies noch immer in banger Erwartung, als einer der Söhne Holt ihn die Treppe hinaufführte, damit er die restlichen Rahmen an den Verandafenstern des Obergeschosses anbringen sollte.
Es war genau der Ort, an dem er ihr zum erstenmal begegnet war. Wie und wen sollte er nach ihr fragen, ohne sich durch allzu großes Interesse zu verraten? Wie sollte er herausfinden, wer sie war, wo sie war und welche Stellung sie hatte? In seiner Enttäuschung arbeitete Tom noch schneller, denn jetzt wollte er am liebsten alles rasch hinter sich bringen und schleunigst das Haus verlassen.
Er war gerade mit dem Einbauen des dritten Fenstergitters beschäftigt, als er trappelnde Schritte hörte – und da war sie endlich, erhitzt und noch fast atemlos vom Laufen. Er starrte sie an und brachte kein Wort hervor.
»Guten Tag, Mr. Murray!« Schlagartig kam ihm zu Bewußtsein, daß sie ja nichts von »Lea« wissen konnte, denn jetzt gehörte er Masser Murray. Er nahm unbeholfen seinen Strohhut ab.
»Guten Tag, Miss Holt.«
»War grad unten im Räucherhaus und hab Fleisch geräuchert, da hab ich gehört, daß du hier bist –« Sie schaute auf das letzte Gitterfenster, das er eben eingebaut hatte. »Oh, ist das aber schön! Hab Missis Emily unten getroffen, die ist ganz verrückt vor Freude.«
Er blickte auf ihr Feldarbeiterinnenkopftuch. »Ich dachte, du bist ein Zimmermädchen –« Was er sagte, klang ihm blöde und unangebracht.
»Ich tu gern alle möglichen Sachen, und sie lassen mich«, sagte sie und schaute sich um. »Bin nur grad eben auf einen Sprung hier raufgekommen. Jetzt sollt ich besser wieder zurück an die Arbeit und du auch.«
Er mußte mehr wissen. Wenigstens ihren Namen. Er fragte sie.
»Irene«, sagte sie. »Man nennt mich auch Reeny. Und wie heißt du?«
»Tom«, sagte er. Aber sie mußten jetzt wirklich wieder an die Arbeit. Deshalb
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