Wurzeln
hatten.
»Ich will euch nichts vorlügen, ich bin froh, daß ich all das erlebt hab. Aber Gott noch mal, ihr habt mir alle furchtbar gefehlt!«
»Sieht mir nicht danach aus – wo du noch zwei extra Jahre weggeblieben bist«, brummte Matilda ihn an.
»Die alte Gluckhenne hat sich kein bißchen geändert, was?« bemerkte Hühner-George zu seinen lachenden Kindern.
»Hm! Wer ist hier alt?« gab Matilda zurück. »Du hast ja viel mehr graue Haare auf ’m Kopf wie ich.«
Er klopfte Matilda lachend auf die Schulter, und sie spielte die Entrüstete. »Hat ja nicht an mir gelegen. Ich wollt ja schon früher zurück! Hab Lord Russell dran erinnert, sowie die zwei Jahre um waren. Aber dann kommt er eines Tages und sagt, ich hab seine Hähne so gut trainiert und auch den jungen weißen Burschen, der mein Gehilfe war, und er hätt nu beschlossen, er will Masser Lea ’ne weitere Summe Geld schicken und ihm sagen, daß er mich ein Jahr länger braucht – ich bin ja fast geplatzt, als ich das gehört hab! Aber was sollt ich machen? Hab nur mein Bestes getan – und er hat in seinem Brief an Masser Lea extra noch geschrieben, er soll euch sagen, was los ist –«
»Er hat uns kein Wort gesagt!« rief Matilda aus, und dann sprach Tom.
»Weißt du auch warum? Um die Zeit hatte er uns schon verkauft.«
»So ist es! Darum haben wir nichts gehört!«
»Hm! Hm! Da habt ihr’s! War nicht meine Schuld!« Hühner-George war zufrieden, daß sich seine Unschuld erwiesen hatte.
Nach dieser bitteren Enttäuschung – so erzählte er – hatte er sich von Sir C. Eric Russell das Versprechen geben lassen, daß dieses wirklich sein letztes Jahr sein würde. »Und dann hab ich seinen Hähnen dazu verhelfen, die größte Kampfsaison aller Zeiten zu gewinnen – jedenfalls hat er’s mir so gesagt. Bis er endlich gemeint hat, ich hab seinem jungen weißen Burschen genug beigebracht, so daß er allein weitermachen kann. Als ich das gehört hab, war ich so glücklich, ich hätt die ganze Bude einschlagen können! Eins muß ich noch sagen – das ist bestimmt noch nicht viel Niggern passiert –, die Engländer haben mich in Scharen mit ihren Wagen bis nach Southampton begleitet. Das ist ’ne große Stadt am Wasser, und wieviel Schiffe da rein- und rausfahren, kann man gar nicht zählen. Lord Russell hat mir sogar ’ne Überfahrt auf dem Zwischendeck besorgt.
Gott! Hab ich vielleicht eine Angst gehabt! Wir waren noch gar nicht weit draußen auf ’m Wasser, da hat das ganze Schiff sich gebäumt und geschüttelt wie ’n wildes Pferd! Da soll mal einer beten!« – er ignorierte Matildas Mißbilligung –, »sah aus, wie wenn der ganze Ozean verrückt würde und uns in Stücke reißen wollte! Aber dann hat es sich wieder beruhigt, es war sogar sehr schön, wie wir in New York ankamen und alle ausgestiegen sind.«
»New York!« rief Klein Kizzy. »Was hast du denn da gemacht, Pappy?«
»Mädchen, erzähl ich nicht schon so schnell, wie ich kann? Also, Lord Russell hat einem von den Schiffsoffizieren Geld gegeben und ihm gesagt, er soll mich auf ’n andres Schiff bringen, das mich nach Richmond fährt. Aber das Schiff, das der Offizier für mich besorgt hat, fuhr erst fünf oder sechs Tage später ab. Da bin ich eben so lange in New York rumgelaufen und hab Augen und Ohren aufgesperrt –«
»Wo hast du denn dort gewohnt?« fragte Matilda.
»In der Herberge für Farbige – das ist dasselbe wie Nigger. Wo glaubst du denn? Hatt ja Geld, und hab ich immer noch, da draußen in meinen Satteltaschen. Morgen werd ich’s euch zeigen.« Er warf Matilda einen verschmitzten Blick zu. »Könnte dir sogar hundert Dollar geben, wenn du schön artig bist!« Sie schnaufte nur, und er fuhr fort: »Dieser Lord Russell war zum Schluß noch ’n wirklich guter Mann. Hat mir all dieses Geld gegeben, grad bevor ich abgefahren bin. Hat mir gesagt, es ist absolut für mich allein, ich sollt’s nicht dem Masser Lea sagen, und ihr wißt ja, daß ich das nicht hab.
Das Wichtigste, was ich in New York gemacht hab, war, mich mit den freien Niggern zu unterhalten. Mir scheint’s, die meisten von ihnen versuchen, grad nicht zu verhungern. Denen geht’s noch dreckiger wie uns. Aber sonst ist alles, wie wir gehört haben. Manche von ihnen leben wirklich fein! Kommt eben ganz drauf an: manche haben ein eigenes Geschäft oder ’ne gutbezahlte Stellung; ganz wenige haben ihre eigenen Häuser, und die meisten bezahlen Miete für was, das sie Wohnungen nennen, und
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