Wurzeln
Tisch, nahm den Schnapskrug, goß sich ein wenig ein und schloß die Faust um sein Glas, um den geringen Inhalt zu verbergen. Dann goß er Masser Lea das Glas dreiviertel voll. Er erhob sein Glas mit der Faust, stellte sich beschwipst und sprach mit schleppender Stimme: »Ich trink auf den guten Masser – den besten, den’s gibt! Wie der Engländer sagt: Runter damit!« Er nippte an seinem Glas und sah, wie der Masser den Schnaps in einem Zug hinunterkippte.
»Junge, ich freu mich, daß du so drüber denkst. Noch ’n Prost!« Die beiden Gläser erhoben sich. »Der beste Nigger, den ich jemals hatte!« Sie tranken aus.
Masser Lea wischte sich den Mund mit dem Handrücken, auf dem die Adern hervorquollen, hustete, denn der Schnaps brannte, und nuschelte dann: »Du hast mir noch gar nichts von dem Engländer erzählt, Junge – wie hieß der doch gleich?«
»Lord Russell, Masser. Der hat mehr Geld, wie er zählen kann. Hat mehr wie vierhundert Rassezuchthähne zum Aussuchen für ’n Kampf –« Und dann nach einer bedeutsamen Pause: »Aber ist bei weitem nicht die Klasse von Kampfhahnzüchter wie Ihr, Masser.«
»Meinst du wirklich, Junge?«
»Einfach nicht die Klasse, das ist mal sicher. Ist auch nicht so ’n Mann wie Ihr! Ist bloß reich und hat Glück gehabt. Hat einfach nicht die Qualität von einem weißen Mann wie Euch, Masser!« Hühner-George glaubte sich zu erinnern, daß Sir C. Eric Russell einmal zu Freunden gesagt hatte: »Der Kerl, dem mein schwarzer Trainer gehört hat, das war ein richtig mickriger kleiner Hühnerhalter.«
Wo hat er wohl seine Schatulle versteckt? Hühner-George dachte daran, daß die Bedingungen seines restlichen Lebens von diesem Stück Papier abhingen, und er erinnerte sich lebhaft, daß es ein Papier mit etwa dreimal soviel Schrift wie ein Passierschein war und daß die Unterschrift darunterstand.
»Masser, kann ich noch ’n bißchen von Eurem Schnaps haben?«
»Frag doch nicht, Junge, das weißt du doch – soviel du willst –«
»Ich hab vielen von den Engländern erzählt, der beste Masser von der Welt ist der, den ich hab – Niemand hat etwas von mir gehört, daß ich da drüben bleiben will – he, Masser, Euer Glas ist fast leer –«
»– Nur ’n bißchen, reicht schon – nein, so einer bist du nicht, Junge – hast mir nie richtigen Ärger gemacht –«
»Nein, Sörr – na, trinken wir noch einen, Sörr –« Das taten sie, wobei dem Masser etwas von dem Schnaps das Kinn hinablief. Hühner-George, der die Wirkung des Whiskeys stärker zu spüren begann, richtete sich plötzlich gerade auf, als er sah, wie der Masser den Kopf auf die Tischplatte sinken ließ.
»Ihr wart auch immer gut zu den andern Niggern, Masser –«
Der Kopf schwankte und blieb liegen. »Hab’s versucht, Junge – hab’s versucht –« Die Worte waren kaum noch zu verstehen.
Ich glaub, jetzt ist er schon ganz schön besoffen. »Jasörr, Ihr und die Missis –«
»Gute Frau – auf ihre Weise –«
Jetzt sank der Masser auch mit der Brust auf den Tisch. Hühner-George erhob sich von seinem Stuhl, so leise er konnte, wartete einen gespannten Augenblick, schlich sich zur Tür, blieb stehen und rief – aber nicht allzu laut: »Masser! – Masser!«
Er drehte sich katzenhaft um und hatte in Sekundenschnelle jede Schublade im vorderen Haus durchstöbert. Dann hielt er inne, hörte nur seinen eigenen Atem und eilte, ihr Quietschen verfluchend, die Treppe hinauf.
Es fiel ihm ein, daß er jetzt dabei war, das Schlafzimmer eines weißen Mannes zu betreten. Er blieb stehen – unwillkürlich trat er einen Schritt zurück, als er das heillose Durcheinander erblickte. Er war rasch wieder nüchtern geworden und trat ein. Es stank nach abgestandenem Schnaps, Urin, Schweiß und ungewaschenen Kleidern, die zwischen leeren Flaschen herumlagen. Er fing wie besessen an zu suchen, riß Schränke auf, wühlte in Schubladen, stieß Dinge beiseite, suchte und suchte. Vielleicht unter dem Bett. Er stürzte auf die Knie, schaute – und da sah er die Kassette.
Er hatte sie mit einem Griff, war schon unten, schlich sich auf Zehenspitzen durch den Gang. Der Masser lag noch immer über den Tisch gesunken. Hühner-George verschwand durch die Vordertür. Er lief um die Seite des Hauses und versuchte, die verschlossene Metallkassette aufzureißen. Steig aufs Pferd und hau ab – mach sie später auf. Aber er mußte ja sicher sein, daß er sein Freiheitspapier hatte.
Da sah er den Hackklotz im Hinterhof
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