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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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bei den Abfallzelten ist dein Platz. Sobald du deinen Kram ausgepackt hast, schicken wir dir die ersten Pferde.«
    Die Tiere hatten neue Hufeisen bitter nötig. In einer schier endlosen Reihe zogen sie durch Toms erste Woche im Dienst der konföderierten Kavallerie. Vom Morgengrauen bis in die Nacht hinein beschlug er ununterbrochen Hufe, bis ihm schließlich von dieser Tätigkeit ganz dumm im Kopf wurde.
    Wie er zwischendurch dem Gerede der jungen Kavalleristen entnahm, schienen die Yankees in fast jedem Gefecht den kürzeren zu ziehen. So war Tom traurig und deprimiert, als er nach Hause zurückkehrte, um nun für eine Woche wieder die Kunden von Masser Murray zu bedienen.
    Tom fand die Frauen im Sklavenquartier in höchster Unruhe vor. Während der letzten Nacht bis weit in den Vormittag war Lilly Sues krankes Söhnchen Uriah spurlos verschwunden gewesen. Erst unmittelbar vor Toms Rückkehr hatte Matilda, als sie die vordere Veranda fegte, ein verdächtiges Geräusch gehört. Sie war dem nachgegangen und hatte den verheulten und hungrigen Jungen unter der Veranda gefunden, wo er sich versteckt hielt. »Ich wollt doch bloß rauskriegen, was der Masser und die Missis so reden – von wegen uns Nigger freilassen. Aber da unten konnt ich nichts hören.« Uriah weinte trotzig. Jetzt versuchten Matilda und Irene, die fassungslose und verzweifelte Lilly Sue zu trösten, deren sonderbares Kind nicht zum erstenmal für solchen Wirbel gesorgt hatte. Tom half mit, sie zu beruhigen. Später beschrieb er der Familie seine Erlebnisse der letzten Woche. »Was ich da gesehn und gehört hab – ach, es ist schlimm«, schloß er.
    Irene bemühte sich vergeblich, die traurige Stimmung ein bißchen aufzuheitern: »Wenn man sein Leben lang unfrei ist, spürt man schon gar nicht mehr, was einem abgeht.«
    Das klang nicht sehr überzeugend, aber Matilda bekräftigte: »Um die Wahrheit zu sagen – ich hab einfach Bammel, daß am Ende alles noch schlimmer wird als jetzt.«
    Der tiefere Sinn dieser traurigen Worte ging Tom erst auf, als er in der zweiten Woche wieder zu seiner Arbeit für die konföderierte Kavallerie zurückgekehrt war. Eines Nachts lag er schlaflos da und grübelte – da vernahm er ein Geräusch, das nur von den nebenan gelegenen Müllhaufen kommen konnte. Ängstlich tastete er im Dunkel nach seinen Sachen, bis seine Finger unverhofft auf den Schmiedehammer stießen. Damit schlich er hinaus in das matte Mondlicht, um nachzuschauen. Nein, nichts. Tom war bereits sicher, daß er wohl nur irgendein kleines Tier bei der Futtersuche gehört haben mußte, als er plötzlich den schemenhaften Umriß einer menschlichen Gestalt vorbeihuschen sah. Sie schien hastig etwas zu verschlingen, das sie in den Händen hielt. Tom sah sich einem dünnen, blassen weißen Burschen gegenüber. Für einen Augenblick starrten sich die beiden im Mondlicht an – dann stürzte der Junge fort. Doch schon nach wenigen Metern mußte er über irgend etwas gestolpert sein, das ein lautes Geräusch verursachte. Er rappelte sich sofort wieder hoch und verschwand in der Nacht.
    Als unmittelbar danach zwei bewaffnete Wachen mit Flinten und Lampen auftauchten, sahen sie einen Tom, der zitternd dastand, die Hände um seinen Hammer gekrampft.
    »Ah, beim Klauen erwischt, Nigger, wie?«
    Tom ahnte sofort, daß es Ärger geben würde. Wenn er die Anklage direkt abstritt, hieß das einen Weißen Lügen strafen – fast noch gefährlicher, als wegen eines Diebstahls belangt zu werden.
    Nur jetzt nicht vor Schreck herumstottern! Er mußte die Männer dazu bringen, ihm zu glauben.
    »Hab was gehört, wollte nachschauen – hab einen weißen Mann zwischen den Abfällen gesehn, Masser, und wupp, ist er abgehaun.«
    Die Soldaten tauschten skeptische Blicke, dann lachten sie verächtlich.
    »Hältst uns wohl für blöd, Nigger, wie?« brüllte der eine.
    »Major Cates wußte schon Bescheid, warum er uns befahl, besonders auf dich aufzupassen. Sobald er aufgestanden ist, wird er sich mit dir beschäftigen, Bürschchen.«
    Sie berieten sich flüsternd, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließen.
    »Ah, sieh mal einer an, bewaffnet!« schrie der eine.
    »Runter mit dem Hammer, Kerl!«
    Toms Faust umklammerte den Griff unwillkürlich fester. Einer der Posten richtete seine Flinte auf Toms Bauch.
    »Laß den Hammer fallen, du Schwein!«
    Toms Finger lösten sich, er hörte, wie der Hammer dumpf auf den Boden schlug. Dann zwangen die Soldaten Tom, vor ihnen herzugehen. Auf

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