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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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anderer Regen verging. Kuntas kafo hatte nun dem kafo von Lamin beigebracht, wie man Ziegen hütet, und es nahte unausweichlich die Zeit, die man so sehnlich und doch ängstlich erwartete: das nächste Erntefest, das damit enden würde, daß die Knaben des dritten kafo – diejenigen im Alter zwischen zehn und fünfzehn Regen – an einen Ort außerhalb Juffures gebracht werden sollten, von wo sie erst vier Monde später zurückkehren würden – als Männer.
    Kunta und die anderen taten so, als beschäftigte diese Aussicht sie nicht sonderlich, in Wahrheit aber dachten sie an nichts anderes; sie hielten scharf Ausschau nach allen Zeichen, mit denen Erwachsene etwa verrieten, daß sie irgendwas mit der bevorstehenden Ausbildung der Jünglinge zu tun hatten. Als zu Beginn der Trockenzeit mehrere Väter unauffällig aus Juffure verschwunden und tagelang fortgeblieben waren, bot dies Anlaß zu viel Spekulationen, und als Kalilu Conteh erzählte, er habe gehört, wie sein Onkel zu einem anderen Erwachsenen gesagt hatte, das jujuo sei in den vergangenen fünf Regen stark verfallen und müsse repariert werden, war die Aufregung groß. Jujuo nannte man das Dorf, wo die Jünglinge zu Männern gemacht wurden, und seit fünf Regen war es nicht mehr bewohnt gewesen. Daß die Väter Vermutungen darüber anstellten, wer vom Ältestenrat zum kintango bestimmt werden würde, steigerte die Aufregung noch. Der kintango beaufsichtigte die Ausbildung der Jünglinge, und Kunta und seine Kameraden hatten ihre Väter und Onkel oft mit Ehrerbietung von den kintangos sprechen hören, unter denen sie selber vor vielen Regen diesen Prüfungen unterzogen worden waren.
    Kurz vor Beginn der Ernte erzählten die Jungen einander, ihre Mütter hätten wortlos Maß genommen für Gewänder, die ihnen vom Kopf bis zu den Füßen reichen würden, und Kunta unterdrückte mit Mühe die Erinnerung an die mit weißen Kapuzen angetanen Jungen des dritten kafo , die vor fünf Regen von maskierten, brüllenden, speerschwingenden kankurang- Tänzern fortgetrieben worden waren.
    Schon ließ die tobalo- Trommel sich dröhnend vernehmen, die den Beginn der Ernte ankündigte, und Kunta ging mit den übrigen aufs Feld. Er genoß geradezu die schwere Arbeit, da sie ihn ablenkte von dem, was ihm bevorstand. Als die Ernte vorüber war und die Festlichkeiten begannen, fühlte er sich aber außerstande, mit gleicher Lust an Festessen und Tanz teilzunehmen wie die anderen, und auch wie er selber, so weit er zurückdenken konnte. Je lärmender der Trubel, desto bedrückter wurde Kunta; die letzten beiden Tage des Festes verbrachte er einsam am Ufer des bolong und ließ flache Steine übers Wasser hüpfen.
    Als Kunta am Vorabend des letzten Festtages schweigend sein Mahl in der Hütte der Mutter verzehrte, kam Omoro herein. Aus dem Augenwinkel sah Kunta, daß sein Vater etwas Weißes hochhob, doch bevor er sich noch rühren konnte, hatte Omoro ihm die Kapuze übergestülpt. Kunta war von Schrecken wie gelähmt. Er fühlte, wie der Vater ihn am Oberarm packte, ihn auf die Füße zerrte, wie er zurückgeschoben und auf einen Schemel gedrückt wurde. Kunta war erleichtert, denn seine Knie waren ganz weich. Er hörte sich rasch und flach atmen, und er wußte: bewegte er sich, würde er vom Schemel fallen. Also saß er stockstill und suchte sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    Er fühlte, wie sein warmer Atem sich an der Kapuze niederschlug, und ihm kam der Gedanke, daß vor Jahren eine ebensolche Kapuze auch seinem Vater über den Kopf gezogen worden war. Ob Omoro auch so große Angst gehabt hatte? Das konnte Kunta sich überhaupt nicht vorstellen, und schon schämte er sich dafür, daß er dem Kinte-Clan solche Schande machte.
    In der Hütte war es unterdessen sehr still. Kunta kämpfte gegen die Furcht, die er im Bauch spürte, und bemühte sich mit allen Poren, irgendwas wahrzunehmen. Er glaubte die Mutter zu hören, doch das mochte ein Irrtum sein. Wo nur Lamin war und der kleine Suwadu? Die konnten doch nicht so mucksmäuschenstill sein? Eines stand fest: weder Binta noch sonstwer würde ihn ansprechen, schon gar nicht seine Kapuze lüften. Dann fiel ihm ein, daß es ja entsetzlich wäre, wenn alle Welt zu sehen bekäme, wie ängstlich er da unter seiner Kapuze hockte – man würde ihn vielleicht für unwürdig halten, mit den kafo -Kameraden nach dem jujuo zu ziehen.
    Schon so kleine Jungen wie Lamin wußten – Kunta hatte es ihm gesagt –, was mit Jünglingen

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