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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Vater empfand.

Kapitel 22
    Kunta war jetzt zehn Regen alt, und die Knaben des zweiten kafo waren so gut wie fertig mit der Schulausbildung, die sie erhalten hatten, seit sie fünf Regen alt waren. Als der Tag des Schulabschlusses gekommen war, nahmen die Eltern Kuntas und seiner Kameraden stolz in der vordersten Reihe der Besucher im Schulhof Platz, sogar noch vor den Dorfältesten. Kunta und seine Mitschüler hockten sich vor dem arafang auf den Boden, und der alimamo betete. Danach blickte der arafang sich unter seinen Zöglingen um, die allesamt darauf brannten, Fragen gestellt zu bekommen. Als ersten wählte er Kunta aus.
    »Welchen Beruf haben deine Vorfahren ausgeübt, Kunta Kinte?« fragte er.
    Kunta antwortete voll Selbstvertrauen: »Vor Hunderten von Regen waren die Kintes im Lande Mali Schmiede, und ihre Frauen machten Geschirr und webten.« Korrekte Antworten wurden von den Anwesenden mit Beifallsbekundungen aufgenommen.
    Sodann stellte der arafang eine Rechenaufgabe: »Wie viele Erdnüsse muß ein Pavian stehlen, der sieben Frauen hat, die jeweils sieben Kinder haben, die täglich eine Woche lang sieben Erdnüsse essen?« Sitafa Silla war der erste, der nach umständlichem Kritzeln mit Grashalmen auf Schreibtafeln die Antwort heraushatte, und die Beifallsrufe übertönten das enttäuschte Ächzen der anderen Schüler.
    Dann schrieben alle Knaben ihre Namen in arabischen Zeichen nieder, wie man sie gelehrt hatte, und der arafang hielt die Schreibtafeln eine nach der anderen hoch, um dem Publikum zu zeigen, wie erfolgreich sein Unterricht gewesen war. Kunta fand, wie alle anderen, daß die sprechenden Zeichen noch schwerer zu lesen als niederzuschreiben waren, und hatte sich manchen Morgen gewünscht, das Geschriebene wäre ebensoleicht zu verstehen wie die sprechende Trommel, die schon Jungen im Alter von Lamin so gut verstanden, als würden ihnen die Worte von einem Nebenstehenden eingesagt. Das Lesen von Geschriebenem wurde einem hingegen morgens und abends vom arafang mit dem Stecken beigebracht.
    Der arafang ließ nun einen Schüler nach dem anderen aufstehen, und als Kunta aufgerufen wurde, spürte er, wie die Seinen ihn voll Stolz betrachteten, ja, daß auch die Vorfahren auf dem Friedhof des Dorfes stolz auf ihn waren – insbesondere die so sehr geliebte Großmutter Yaisa. Stehend las er einen Koranvers vor, drückte danach das Blatt an die Stirn und sagte »Amen«. Als die Vorlesungen vorbei waren, gab der arafang jedem Schüler die Hand und verkündete laut, mit Abschluß des Unterrichtes gehörten die Knaben nun zum dritten kafo , was ebenfalls mit lautem Beifall aufgenommen wurde. Binta und andere Mütter hoben die Deckel von den Gefäßen, in denen sie köstliche Speisen mitgebracht hatten, und die Prüfungsfeier ging in ein festliches Mahl über.
    Als Kunta am folgenden Morgen die Ziegen der Familie auf die Weide treiben wollte, erwartete ihn schon der Vater. Er deutete auf eine hübsche junge Geiß und ein Böcklein und sagte: »Die gehören jetzt dir, als Belohnung für deine Leistungen in der Schule.« Kunta konnte kaum ein Dankeschön stammeln, da war der Vater schon fortgegangen, so als wäre es etwas Alltägliches für ihn, zwei Ziegen zu verschenken. Kunta gab sich Mühe, seine freudige Erregung zu beherrschen, doch kaum war Omoro außer Sichtweite, da juchzte er so laut und tat einen solchen Freudensprung, daß die neuen Ziegen davonliefen, und alle anderen hinterdrein. Als er sie endlich eingefangen und auf die Weide getrieben hatte, waren die anderen längst dort und zeigten einander gegenseitig ihre neuen Ziegen. Diese wurden nun geradezu mit Andacht gehütet und auf die besten Grasplätze geführt. Man malte sich bereits aus, wie die Geschenke sich vermehren und wieder vermehren würden, bis jeder der Jungen eine Herde hatten, groß und wertvoll wie die der Väter.
    Noch war der nächste Mond nicht angebrochen, da verschenkten Binta und Omoro bereits eine dritte Ziege, diesmal an den arafang , um ihm für die Schulausbildung ihres Sohnes zu danken. Wären sie reicher gewesen, hätten sie ihm ein Rind geschenkt, doch kannte er ihre Verhältnisse und wußte, daß sie sich das ebensowenig leisten konnten wie die anderen Bewohner von Tuffure, das ein armes Dorf war. Manche Eltern konnten ihm überhaupt nichts schenken, sie boten ihm dafür an, einen Monat lang auf seinem Feld zu arbeiten, und auch das nahm er freundlich an.
    Aus Monden wurden nach und nach Jahreszeiten, und ein

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