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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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neuer Status als Männer ihnen nicht recht was einzutragen schien. Zwar hatte man ihnen ein Stück Feld überlassen, zwar sammelten sie langsam Besitztümer an, doch die Felder waren klein, die Arbeit schwer, und mit den Besitztümern der älteren Männer verglichen, waren die ihren doch recht armselig. Zwar waren sie die Augen und Ohren des Dorfes, doch auch ohne ihr Zutun wurden die Töpfe saubergehalten, und von den Feldern war höchstens einmal eine Horde Paviane zu vertreiben oder ein Vogelschwarm. Es blieb ihnen nicht verborgen, daß die bedeutenden Aufgaben von den Älteren wahrgenommen wurden, und um das alles noch schwerer erträglich zu machen, ließen diese es die Jungen fühlen: Ihre Höflichkeit war vorgetäuscht, wie ja auch die Pflichten, die sie den Jungen übertrugen, nur so aussahen wie Pflichten. Wandten sie den Jüngeren wirklich mal ihre Aufmerksamkeit zu, dann schien es, daß sie sich nur schwer das Lachen verbeißen konnten, auch wenn die den Jungen gestellten Aufgaben tadellos ausgeführt wurden; das ähnelte bereits dem Verhalten der Mädchen! Nun ja, sagte Kunta sich, eines Tages gehörst du auch dazu, aber du wirst dich als Mann würdiger betragen und den Jüngeren gegenüber mehr Verständnis und Mitgefühl zeigen, als dir erwiesen wird!
    Weil er ruhelos war und auch ein wenig Selbstmitleid hatte, unternahm Kunta einen einsamen Abendspaziergang. Ohne es zu beabsichtigen, näherte er sich nach einer Weile dem Feuer, um das die Kleinen des ersten kafo hockten und gespannt den Großmüttern zuhörten, die ihnen Geschichten erzählten. Kunta trat nahe genug hinzu, um hören zu können – doch so, daß es nicht auffiel, daß er zuhörte –, als eine der Alten, hüpfend und die mageren Arme werfend, den Kindern vorführte, wie die 4000 tapferen Krieger des Königs Kasoon vom Dröhnen der 500 Kriegstrommeln und dem Klang der aus Elefantenstoßzähnen gemachten 500 Kriegshörner in die Schlacht getrieben worden waren. Kunta hatte diese Geschichte viele Male als Kind am abendlichen Feuer gehört, und es stimmte ihn irgendwie traurig, sie jetzt wieder zu hören, in Gesellschaft von Madi, der mit weit aufgerissenen Augen in der vordersten Reihe saß, und dem weiter hinten sitzenden Suwadu.
    Er erhob sich seufzend und entfernte sich nachdenklich, was ebenso unbemerkt blieb wie sein Erscheinen. An den anderen Feuern, wo Lamin mit Gleichaltrigen Koranverse rezitierte, wo Binta sich mit den Frauen über den täglichen Kleinkram unterhielt, fühlte er sich ebenso unwillkommen. So gelangte er denn schließlich an den großen Brotfruchtbaum, unter dessen weitausladenden Zweigen die Männer von Juffure um ihr eigenes Feuer hockten und Gemeindesachen besprachen und andere ernste Geschäfte. Doch während er sich am ersten Feuer zu alt vorgekommen war, fühlte er sich hier zu jung. Aber wohin hätte er schon gehen sollen? Also nahm er im äußersten Kreis Platz, hinter denen im Alter seines Vaters, die näher beim Feuer saßen, und denen im Alter des kintango , die mit anderen des Ältestenrates ganz nahe saßen. Als er sich niederließ, hörte Kunta jemand fragen:
    »Weiß jemand von euch, wie viele von uns geraubt werden?«
    Man sprach also vom Sklavenraub, jenem Thema, das seit hundert Regen das dringlichste war, seit toubobs Menschen raubten und sie in Ketten in jenes Königreich der Menschenfresser über dem großen Wasser verschifften.
    Eine Weile sprach niemand, dann sagte der alimamo: »Wir müssen Allah dafür danken, daß es nicht mehr so viele sind wie früher.«
    »Es gibt eben nicht mehr so viele zu rauben«, bemerkte einer der Ältesten zornig.
    Der kintango sagte: »Ich höre die Trommeln und zähle unsere Verluste. Und ich komme jeden neuen Mond auf fünfzig bis sechzig allein von unserem Teil des bolong. « Dazu hatte niemand etwas zu sagen, und er fügte an: »Das sagt natürlich nichts darüber, wie groß die Verluste im Landesinneren und weiter stromaufwärts sind.«
    »Wir sollten nicht nur die Geraubten zählen«, sagte der arafang , »sondern auch die niedergebrannten Brotfruchtbäume, die standen, wo ehemals Dörfer waren. Der toubob hat mehr von uns durch Feuer getötet und im Kampf, als er geraubt hat.«
    Die Männer starrten lange ins Feuer, dann nahm ein anderer Ältester das Wort: »Der toubob kann das alles nicht ohne Hilfe von unsern eigenen Leuten. Mandinka, Fula, Wolof, Jola – alle Stämme Gambias haben ihre Verräter. Als Kind habe ich gesehen, wie diese slatis Menschen

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