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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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wie sie selber geprügelt haben, damit sie schneller gehen sollten – für toubobs !«
    Juffures Ältestenvorsteher sagte: »Für das Geld der toubobs fallen wir über unsere eigenen Leute her. Gier und Verrat, das ist es, was der toubob uns im Tausch gegen die bringt, die er geraubt hat.«
    Wieder herrschte eine Weile Schweigen, und nur das Feuer knackte. Dann ließ sich wieder der kintango vernehmen: »Schlimmer noch als das Geld des toubob ist, daß er für nichts und wieder nichts lügt, daß er betrügt, wie er atmet, ohne sich was dabei zu denken. Das verschafft ihm einen Vorteil über uns.«
    Nach einigen Momenten sagte ein jüngerer Mann, der dem kafo vor dem Kuntas angehörte: »Wird der toubob sich denn niemals ändern?«
    »Der toubob ändert sich erst, wenn die Flüsse aufwärts fließen«, antwortete ihm einer der Ältesten.
    Das Feuer war nun heruntergebrannt, die Männer standen auf, reckten sich, wünschten einander gute Nacht und begaben sich zu ihren Hütten. Fünf junge Männer des dritten kafo blieben zurück – einer, der die Glut mit Sand bedeckte, die übrigen – darunter Kunta –, um die nächtliche Wache vor der Dorfpalisade zu beziehen. Kunta wußte, nach dem, was er da Aufregendes gehört hatte, würde er keine Mühe haben, wach zu bleiben, doch lockte es ihn auch nicht besonders, die Nacht außerhalb der schützenden Palisade zu verbringen.
    Er bewegte sich jedoch anscheinend gleichmütig durchs Dorf, winkte seinen Wachkollegen lässig zu und ging außen an der Palisade mit dem davor aufgehäuften Dorngebüsch und den darin verborgenen spitzen Pfählen einem belaubten Versteck zu, von dem aus sich der Blick in die vom Mondschein silbrige Umgebung bot. Er machte es sich so bequem wie möglich, legte den Speer in den Schoß, schlang die Arme um die angezogenen Knie, um es wärmer zu haben, und richtete sich für die Nacht ein. Er beobachtete scharf den Rand des Buschlandes, hörte die Zikaden zirpen, das geisterhafte Pfeifen der Nachtvögel, das ferne Heulen der Hyänen, das Geschrei von Tieren, die im Busch gerissen wurden, und bedachte dabei, was er da am Feuer gehört hatte. Als es tagte, ohne daß etwas passiert war, staunte er geradezu darüber, daß er nicht von Sklavenräubern überfallen worden war. Und er merkte, daß er keinen Moment über seine Privatangelegenheiten nachgegrübelt hatte.

Kapitel 29
    Kunta kam es vor, als würde er täglich irgendwie von seiner Mutter geärgert. Nicht, daß sie etwas gesagt oder getan hätte, um ihn zu reizen, doch an gewissen Blicken, an dem Ton, in dem sie zu ihm sprach, erkannte er, daß ihr irgendwas nicht recht war. Besonders deutlich wurde dies, wenn er auf eigene Faust Anschaffungen machte. Als sie eines Morgens sah, daß er einen dundiko trug, den sie ihm nicht selber angefertigt hatte, hätte sie fast die Schale mit dampfendem kouskous auf ihn fallen lassen. Kunta entging nicht, daß seine Mutter darüber tief gekränkt war, doch weigerte er sich trotzig, ihr zu erklären, daß er ihn für ein gegerbtes Hyänenfell eingetauscht hatte.
    Von da an prüfte Binta allmorgendlich mit Adleraugen, ob er wieder eine Neuanschaffung gemacht hatte – einen Schemel etwa, eine Matte, einen Tiegel, einen Teller oder einen Topf, und es entging ihr nichts. Kunta sah dann, daß sie eine gewollt gleichmütige Miene aufsetzte, die gleiche, die sie früher in Gegenwart Omoros anzunehmen pflegte. Alsbald gesellte sie sich dann zu den anderen Frauen und beklagte ihr schweres Los, wie es alle Mandinkafrauen taten, die mit ihren Männern nicht einverstanden waren.
    Eines Morgens stellte Kunta gleich neben den Eingang seiner Hütte einen wunderhübsch geflochtenen Korb, das Geschenk Jinna M’Bakis, einer Witwe, und zwar so, daß Binta, wenn sie mit dem Frühstück kam, diesen Korb nicht übersehen konnte. Die Witwe war übrigens etwas jünger als Binta; ihr Mann war von der Jagd nicht zurückgekehrt, als Kunta, damals noch im zweiten kafo , die Ziegen hütete. Sie wohnte unweit von Nyo Boto, die Kunta häufig besuchte, und auf diese Weise war er näher mit ihr bekannt geworden. Daß seine Freunde ihn mit dem Geschenk der Witwe hänselten, ärgerte Kunta übrigens sehr. Als nun seine Mutter das Frühstück brachte und den Korb sah, machte sie ein Gesicht, als wäre sie einem Skorpion begegnet; sie erkannte selbstverständlich den Korb als Arbeit der Witwe, und es dauerte eine Weile, bis sie sich gefaßt hatte.
    Natürlich verlor sie kein Wort über das

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