Wurzeln
zwischen ihm und Lamin keine enge Verbindung mehr. Allerdings ging dies, wie Kunta wußte, nicht auf seinen oder Lamins Wunsch zurück. Ehe Kunta fortgegangen war, waren sie gern miteinander zusammen gewesen. Lamin hatte jetzt allerdings ständig Gesellschaft von Suwadu, der sich an ihn hängte, wie Lamin sich an Kunta gehängt hatte, voll Stolz und Bewunderung. Kunta wußte aber irgendwie, daß Lamin ihn, Kunta, nach wie vor bewunderte und stolz auf ihn war, jetzt eher noch mehr als früher. Die Distanz zwischen ihnen wurde einzig und allein verursacht durch den Umstand, daß Kunta unterdessen zum Mann geworden war. Männer gaben sich nun einmal nicht viel mit Knaben ab, und wenn das auch seinem und Lamins Wunsch zuwiderlief, war daran nicht viel zu ändern – jedenfalls hatte es Kunta so gesehen, bis ihm eingefallen war, daß er Lamin doch auf diesen Ausflug mitnehmen könnte.
Kunta wandte sich also an seinen Vater, allerdings kam er nicht gleich zur Sache. »Lamin ist ein braver Junge, er zeigt, daß er gut erzogen ist, und hütet sorgsam meine Ziegen.« Es schickte sich nicht, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Omoro wußte das ebensogut, und er nickte bedächtig: »Ja, so könnte man sagen. Es stimmt wohl.« Nun berichtete Kunta, so gelassen er konnte, von seiner Begegnung mit den drei jungen Männern, die Gold waschen wollten, und erwähnte, daß sie ihn aufgefordert hatten mitzukommen. Dann holte er tief Luft und sagte beiläufig: »Mir kam dabei der Gedanke, daß ein solcher Ausflug Lamin Freude machen könnte.«
Omoros Gesicht zeigte keinerlei Bewegung, und es verging eine Weile, bevor er antwortete: »Einem Knaben tut es gut, eine Reise zu unternehmen.« Da wußte Kunta, daß sein Vater jedenfalls nicht von vornherein ablehnen würde. Kunta spürte, daß der Vater ihm vertraute, daß er jedoch Bedenken hatte, die aber nicht deutlicher aussprechen wollte. »Ich bin seit vielen Regen nicht mehr in jener Gegend gewesen und erinnere mich gar nicht mehr daran, wie man hinkommt«, sagte Omoro so nüchtern, als sprächen sie vom Wetter. Kunta wußte, daß sein Vater nie etwas vergaß und sich nur vergewissern wollte, ob Kunta den Weg zu jenem Ort kannte.
Also ließ Kunta sich auf die Knie nieder und zeichnete mit einem Stöckchen den Weg in den Staub, als täte er so etwas seit Jahren. Mit Kreisen markierte er die Dörfer, die unmittelbar oder etwas entfernter am Weg lagen. Omoro kniete ebenfalls hin und bemerkte dazu: »Ich an deiner Stelle würde mich in jedem Fall an die Dörfer halten. Das ist zwar ein Umweg, doch ist es sicherer.«
Kunta nickte. Er hoffte, er wirkte zuversichtlicher, als er war; ihm war nämlich plötzlich klargeworden, daß drei gemeinsam wandernde junge Männer es leichter hatten, einen Fehler wettzumachen, den einer von ihnen begehen mochte, als ein einzelner Mann wie Kunta, der von einem Knaben begleitet wurde, für den er verantwortlich sein würde, und der niemand um Hilfe bitten konnte, sollte etwas schiefgehen.
Nun sah Kunta, daß Omoro auf das letzte Drittel des Weges wies. »Hier wird kaum Mandinka gesprochen«, sagte er dabei. Kunta erinnerte sich der im jujuo gelernten Lektionen, sah seinem Vater in die Augen und sagte: »Sonne und Sterne werden mir zeigen, wie ich gehen muß.«
Omoro schwieg. Endlich sagte er: »Ich schaue einmal bei deiner Mutter hinein.« Kuntas Herz klopfte mächtig. Sein Vater war also einverstanden, und er beabsichtigte, selber Binta davon in Kenntnis zu setzen!
Omoro hielt sich nicht lange bei Binta auf, und kaum war er gegangen, stürzte sie aus der Hütte, raufte die Haare und schrie nach Madi und Suwadu. Beide kamen sogleich gerannt.
Binta zerrte die beiden zum Brunnen, und weil sie dabei laut jammerte, versammelten sich bald viele Mütter um sie, denen sie laut vorheulte, sie habe nun von vier Söhnen nur noch zwei, denn die beiden älteren würden ganz gewiß von den toubobs geraubt werden.
Ein Mädchen des zweiten kafo konnte die Neuigkeit, daß Kunta und Lamin eine Reise antreten wollten, nicht bei sich behalten, sie rannte zu den Ziegenhirten auf die Weide und erzählte alles. Bald darauf sah man einen einzelnen Knaben jubelnd ins Dorf gelaufen kommen, so außer sich vor Wonne, daß er die Vorfahren in den Gräbern hätte wecken können. Lamin, denn er war es, traf seine Mutter vor ihrer Hütte, er nahm sie in die Arme, küßte sie auf die Stirn und wirbelte sie herum, die laut protestierte. Kaum hatte er sie losgelassen, nahm sie den
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