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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Lamin zu erklären, warum die Männer den Einbaum hier, so weit entfernt vom Fluß, gemacht und nicht einen Baum näher beim Ufer gewählt hatten. Es waren Männer aus Kerewan, wo die besten Einbäume der Mandinkas herkamen; sie wußten wohl, daß nur ein echter Waldbaum sich über Wasser hält.
    Dann fielen Kunta die drei jungen Leute aus Barra ein, die er treffen wollte, und ihm wurde wohl bei diesem Gedanken. Sonderbar, daß er ihnen bisher nie begegnet war, sie kamen ihm vor wie Brüder. Vielleicht, weil auch sie Mandinkas waren? Sie sprachen anders als er, aber innerlich waren sie ihm verwandt. Wie sie hatte er sich entschlossen, sein Dorf zu verlassen, eine kleine Abwechslung und vielleicht sein Glück zu suchen, bevor es hieß, rechtzeitig vor der Regenzeit zurück im Dorf zu sein.
    Als es Mitte des Nachmittags Zeit für das alansaro -Gebet war, verließ Kunta den Pfad nahe einem Wasserlauf. Ohne Lamin anzusehen, trat er unter einige Bäume, setzte seine Last ab, reckte sich und schöpfte Wasser, das er übers Gesicht laufen ließ. Er trank wenig, betete und hörte dabei, daß Lamin sich der Länge nach hatte zu Boden fallen lassen. Kunta beendete sein Gebet, stand auf und wollte seinen Bruder scharf tadeln, doch als er sah, wie mühsam dieser zum Wasser kroch, ließ er es. Statt dessen sagte er barsch: »Trink in kleinen Schlucken!« Eine Stunde Rast müßte eigentlich ausreichen, überlegte Kunta. Lamin sollte nach einem kleinen Imbiß wohl fähig sein, weiterzuwandern bis zum fitiro -Gebet, also bis Sonnenuntergang. Dann wollten sie ausgiebig essen und zur Nacht ruhen.
    Lamin war allerdings zu erschöpft, um jetzt etwas zu essen. Er lag, wo er getrunken hatte, die Arme weit von sich gestreckt, die Handflächen nach oben. Kunta näherte sich lautlos und betrachtete Lamins Füße. Keine Spur von Blut. Nun verbrachte Kunta eine Weile im Halbschlaf, stand dann auf, entnahm seiner Last zwei Portionen Trockenfleisch, reichte eine Lamin und verzehrte die andere. Bald war man wieder unterwegs. Der Pfad wies alle Merkmale auf, die die drei jungen Männer Kunta aufgezeichnet hatten. In der Nähe eines Dorfes stießen sie auf zwei alte Frauen und zwei junge Mädchen, die Krebse fingen; immer wieder tauchten sie die Hände in einen kleinen, schnell fließenden Wasserlauf und fischten ihre Beute heraus.
    Als gegen Abend Lamin immer öfter nach seinem Kopfbündel griff, bemerkte Kunta vor sich einen Schwarm Buschhühner, die offenbar niedergehen wollten. Er blieb stehen und verbarg sich, und Lamin folgte seinem Beispiel. Kunta stieß den Balzruf des Buschhahns aus, und kurz darauf kamen mehrere fette Hennen angewatschelt. Sie legten den Kopf auf die Seite, sie spähten angeregt um sich, und Kunta traf mit seinem ersten Pfeil eine in die Brust. Er drehte ihr den Kopf ab, ließ das Blut auslaufen, und während der Vogel am Spieß briet, verfertigte er ein Schutzdach. Danach betete er. Lamin war sofort eingeschlafen, nachdem er seine Last abgesetzt hatte, und Kunta röstete noch ein paar Kolben vom wilden Mais, die er unterwegs abgerissen hatte, bevor er den Bruder weckte. Lamin schlang sein Essen hinunter, kroch unter das aus Zweigen bestehende Schutzdach, streckte sich im Moos aus und schlief weiter.
    Kunta blieb sitzen, zog die Knie an und lauschte. Nicht weit von ihm begannen Hyänen zu fiepen. Kunta vertrieb sich die Zeit damit, die anderen Nachtgeräusche im Busch zu identifizieren. Von ferne hörte er dreimal hintereinander wohltönenden Hörnerklang – im nächst gelegenen Dorf rief der alimamo auf dem Horn aus Elfenbein die Gläubigen zum Gebet. Kunta fand, Lamin hätte diesen fast sehnsüchtigen Klang hören sollen, der dem der menschlichen Stimme ähnelte, doch dann mußte er lächeln – sein Bruder war in keiner Verfassung, auf Wohlklänge zu achten. Kunta betete und legte sich ebenfalls schlafen.
    Bald nach Sonnenaufgang umgingen sie jenes Dorf und hörten bis hinaus auf den Pfad, daß die Frauen in ihren Mörsern kouskous zum Frühmahl stampften. Kunta schmeckte es fast auf der Zunge, er machte aber nicht halt. Ganz nahebei lag ein weiteres Dorf, und als sie vorübergingen, sahen sie die Männer sich zum Gebet versammeln, während die Frauen um die Feuer hockten. Etwas später erblickte Kunta einen alten Mann neben dem Pfad. Er saß tiefgebeugt über mehreren Kaurimuscheln, die er auf einer Bambusmatte hin und her schob, wobei er vor sich hin murmelte. Kunta wich aus, um ihn nicht zu stören, doch der Greis

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