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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Tagen, nicht mehr unterdrücken. Warm quoll der Darminhalt zwischen den Hinterbacken hervor. Von sich selbst angewidert, den eigenen Gestank in der Nase, begann Kunta zu schluchzen, und wiederum mußte er erbrechen. Diesmal kam nur etwas Speichel. Für welche Sünden wurde er so bestraft? Er flehte Allah um eine Antwort an. Es war Sünde, daß er nicht ein einziges Mal gebetet hatte, seit er in den Wald gegangen war, um Holz für seine Trommel zu holen. Weil er weder niederknien konnte noch wußte, wo Osten war, schloß er, wo er lag, die Augen und bat Allah um Vergebung.
    Danach lag er lange Zeit dumpf in seinen Schmerzen, bis ihm bewußt wurde, daß sein Magen ihn peinigte, weil ihn hungerte. Er hatte seit dem Abend vor seiner Verschleppung nichts mehr gegessen. Er versuchte, sich daran zu erinnern, ob er seither einmal richtig geschlafen hatte, und sah sich plötzlich einen Waldpfad entlanggehen; hinter ihm schritten zwei Schwarze, vor ihm zwei toubobs in fremdartigen Kleidern und mit langen Haaren von ungewöhnlicher Farbe. Kunta riß die Augen auf und schüttelte den Kopf; er war in Schweiß gebadet, und sein Herz klopfte heftig. Er war eingeschlafen, ohne es zu merken. Es war ein Alptraum gewesen. Oder war diese stinkende Finsternis hier der Alptraum? Nein, sie war so wirklich, wie diese Szene im Wald in seinem Traum es gewesen war. Er mußte sich alles noch einmal vergegenwärtigen, ob er wollte oder nicht.
    Nachdem er sich im Wald so verzweifelt gegen die schwarzen slatis , diese Gehilfen der Sklavenjäger, zur Wehr gesetzt hatte, war er von den toubobs niedergeschlagen worden. Er erwachte von quälenden Schmerzen, geknebelt, eine Binde vor den Augen, die Hände auf den Rücken gebunden, die Fußgelenke mit einer Knotenschnur gefesselt. Als er sich zu befreien suchte, wurde er mit spitzen Stöcken gestochen, bis ihm das Blut die Beine hinunterlief. Hochgezerrt und vorwärts geprügelt, humpelte er dahin, so schnell seine Fußfesseln es erlaubten.
    Am Ufer des bolong – Kunta hörte das Wasser und spürte weichen Grund unter den Füßen – wurde er in ein Kanu gestoßen. Seine Augen blieben verbunden. Er hörte die slatis angestrengt rudern. Machte er eine Bewegung, bekam er Schläge, vermutlich von einem toubob. Das Kanu legte an, wieder ein Fußmarsch bis zum Abend. Man warf Kunta zu Boden, band ihn mit dem Rücken an einen Bambuszaun und riß ihm die Augenbinde herunter. Es war dunkel, doch er konnte das bleiche Gesicht des toubob sehen, der über ihm stand. Andere standen in der Nähe. Der toubob hielt ihm ein Stück Fleisch zum Abbeißen hin. Kunta drehte den Kopf zur Seite und preßte die Kinnbacken zusammen. Wütend packte der toubob ihn an der Kehle und versuchte, ihm den Mund aufzusperren. Als das mißlang, schlug er Kunta mit der Faust ins Gesicht.
    Dann ließ man ihn allein. Beim Morgengrauen sah er die übrigen Gefangenen, wie er an Bambusstämme gefesselt. Sie waren zusammen elf – sechs Männer, drei Frauen und zwei Kinder –, alle von bewaffneten slatis und toubobs scharf bewacht. Die Frauen waren nackt; Kunta wandte den Blick ab; er hatte nie zuvor eine Frau nackt gesehen. Die Männer, gleichfalls nackt, saßen mit Gesichtern da, aus denen mörderischer Haß sprach, grimmig schweigend und vom Blut der Peitschenstriemen überkrustet. Die Frauen jedoch weinten laut. Eine beklagte Angehörige in einem verbrannten Dorf, eine tat, als wiege sie einen Säugling auf den Armen, die dritte empfahl ihre Seele immer aufs neue Allah.
    In wilder Wut rüttelte Kunta an seinen Fesseln. Ein wuchtiger Knüttelschlag raubte ihm abermals die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, stellte er fest, daß auch er nackt war, daß man ihnen allen die Köpfe kahlgeschoren und sie am ganzen Leib mit rotem Palmöl eingerieben hatte. Gegen Mittag betraten zwei neue toubobs den Hain. Die slatis banden die Gefangenen grinsend von den Bambusstämmen los und ließen sie sich in einer Reihe aufstellen. Kunta konnte vor Wut und Angst kaum gehen. Einer der neuen toubobs war klein, untersetzt und weißhaarig. Der andere mit seinem finsteren, von Messerhieben zernarbten Gesicht überragte ihn zwar, doch dem Gebaren der anderen war zu entnehmen, daß der Weißhaarige hier zu sagen hatte.
    Der musterte alle und bedeutete Kunta vorzutreten. Als Kunta entsetzt zurückwich, traf ihn ein Peitschenhieb. Ein slati packte ihn von hinten, zwang ihn in die Knie und riß ihm den Kopf zurück. Der weißhaarige toubob zog ihm gleichmütig die

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