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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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in ein Auge, er hörte das Wehgeschrei der Verletzten und bekam einen heftigen Schlag auf den Kopf. Ganz benommen hörte er den Hund knurren, den toubob kreischen, ein jammervolles Heulen. Kunta kam wieder auf die Beine, er wich, so gut es ging, seinen Angreifern aus. Aus einer klaffenden Wunde am Kopf rann Blut, doch sah er immerhin einen Schwarzen, der die Hand an sein Auge drückte, einen toubob mit zerbissenem Arm und seinen getöteten Hund. Die beiden verbliebenen Schwarzen umtanzten ihn mit erhobenen Knüppeln. Kunta stürzte sich mit wildem Wutgeheul auf den zweiten toubob und wehrte dabei den niedersausenden Knüppel mit dem Unterarm ab. Der Gestank des toubob betäubte ihn fast, und er fragte sich verzweifelt: warum habe ich sie nur nicht gehört, gespürt, gerochen?
    Nun aber trafen die Knüppel der Schwarzen Kunta am Kopf und streckten ihn nieder, und der toubob riß sich los. Mit schier berstendem Kopf, blind von rinnendem Blut und Schweiß, rasend vor Zorn über die eigene Schwäche, bäumte Kunta sich brüllend auf und schlug blindlings um sich. Er kämpfte um mehr als sein Leben, es ging auch um Binta, Omoro, Lamin, Suwadu, Madi! Der schwere Knüppel des toubob traf ihn an der Schläfe, und alles wurde dunkel.

Kapitel 34
    Kunta erwachte nackt, angekettet, zwischen zwei Männern auf dem Rücken liegend, in pechschwarzem Dunkel, das erfüllt war von Gestank und dampfender Hitze, von Schreien, Weinen, Beten und Kotzen. Er roch das eigene Erbrochene auf Brust und Bauch. Von den Schlägen, die er in den vier Tagen seiner Gefangenschaft erhalten hatte, schmerzte sein ganzer Körper. Doch am schlimmsten schmerzte es zwischen den Schulterblättern, wo er mit dem glühenden Eisen gebrandmarkt worden war.
    Der dicke, pelzige Leib einer Ratte streifte seine Wange, eine haarige Schnauze beschnüffelte seinen Mund. Vor Abscheu zitternd, schnappte Kunta verzweifelt mit den Zähnen, und die Ratte huschte davon. Zornig zerrte und riß Kunta an den Ketten, die Hand- und Fußgelenke fesselten, und löste eine heftige Reaktion derer aus, an die er gefesselt war. Wütend und gepeinigt fuhr er in die Höhe und stieß mit dem Kopf an Holz, genau da, wo ihn der Knüttel des toubob im Wald getroffen hatte. Keuchend und knurrend schlugen er und der unsichtbare Mann neben ihm Ketten aneinander, bis beide vor Erschöpfung zurücksanken. Kunta spürte, daß er wieder erbrechen mußte, und wollte widerstehen, vermochte es aber nicht. Sein schon leerer Magen preßte eine dünne, säuerliche Flüssigkeit hervor, die ihm seitwärts aus dem Mundwinkel rann. Am liebsten wäre er gestorben.
    Er sagte sich, daß er nicht noch einmal die Beherrschung verlieren dürfe, wenn er Kraft und Verstand bewahren wollte. Als er sich wieder bewegen konnte, betastete er vorsichtig mit der linken Hand das gefesselte rechte Hand- und Fußgelenk. Beide bluteten. Er zog behutsam an der Kette; sie schien mit dem linken Hand- und Fußgelenk des Mannes rechts von ihm verbunden zu sein. Zu seiner Linken stöhnte jemand ununterbrochen. Sie lagen so dicht beieinander, daß sich Schultern, Arme und Beine berührten, wenn einer von ihnen sich ein wenig bewegte.
    Vorsichtig richtete Kunta sich noch einmal auf, doch zum Aufrechtsitzen war nicht genug Platz. Die Decke war niedrig. Hinter seinem Kopf war eine Holzwand. Ihm fiel ein, daß er vor vielen Regen im jujuo auch längere Zeit mit verbundenen Augen im Dunkeln hatte sitzen müssen, und bei dieser Erinnerung hätte er fast geweint. Stattdessen zwang er sich, auf das Schreien und Stöhnen rings um sich her zu lauschen. Offenbar lagen viele Menschen in dieser Finsternis, manche näher, manche weiter weg, manche neben ihm, manche vor ihm, aber alle in demselben Raum, wenn es ein Raum war. Als er noch angestrengter lauschte, nahm er gedämpfte Schreie wahr, die von irgendwo unter ihm kommen mußten.
    Genauer hinhörend, begann er verschiedene Sprachen zu unterscheiden. Ein Fulani rief immer und immer wieder auf arabisch: »Allah im Himmel, hilf mir!«, und ein Serere schien mit heiserer Stimme die Namen seiner Angehörigen herzusagen.
    Doch vor allem hörte Kunta Mandinkas, die in der Geheimsprache der Männer allen toubobs blutige Rache schworen. Die Schreie der anderen klangen so verzerrt, daß er keine Wörter unterscheiden konnte, doch war zu erkennen, daß nicht alle Männer aus Gambia stammten.
    Während Kunta lauschend dalag, merkte er, daß sein Darm sich entleeren wollte, und das ließ sich jetzt, nach

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